Auf Madeira gibt es zahlreiche malerische Klippen und gefährliche Wanderwege, die mit Warnschildern und Absperrungen versehen sind. Diese Massnahmen sind nicht willkürlich, sondern dienen dem Schutz der Besucher. Doch immer wieder erlebe ich, wie Touristen diese Warnungen bewusst ignorieren. Statt sich an die Regeln zu halten, überwinden sie die Absperrungen, nur um den besten Blick auf das Meer zu erhaschen oder ein spektakuläres Foto für soziale Medien zu schiessen.
Diese gefährliche Ignoranz ist mehr als nur Abenteuerlust; sie zeigt eine erschreckende Selbstüberschätzung und Naivität. Die Folgen können verheerend sein, nicht nur für die Einzelnen, die ihr Leben riskieren, sondern auch für die Rettungskräfte, die im Notfall ausrücken müssen. Dabei bleibt oft eine Spur der Verwüstung zurück: beschädigte Natur, Müll und eine Kultur des „Ich zuerst“, die alles andere als vorbildlich ist.
Neben der offensichtlichen Ignoranz gegenüber Sicherheitsmassnahmen zeigt sich auch eine tiefgehende Respektlosigkeit gegenüber der Natur und den Lebewesen, die dort ihren Lebensraum haben. Auf den Wanderwegen Madeiras konnte ich mehrfach beobachten, wie Touristen sich völlig achtungslos gegenüber Tieren verhalten haben. Ein Beispiel, das mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ereignete sich auf einem der idyllischen Pfade: Ein Mutter-Huhn lief mit ihren neun Küken direkt auf dem Weg umher. Als ich andere Wanderer darauf hinwies und bat, vorsichtig zu sein, wurde mein Anliegen weitgehend ignoriert. Die Touristen setzten ihren Weg fort, ohne auch nur einmal wirklich hinzusehen – und wären fast auf die Hühnerfamilie getreten.
Noch schlimmer war das Verhalten anderer, die ihre Handys so nah vor den Tieren hin und her wedelten, dass die verängstigten Küken keinen Ausweg mehr fanden. Diese Respektlosigkeit gegenüber der Tierwelt ist bedrückend. Es zeigt, dass vielen Touristen das Bewusstsein für die Sensibilität der Natur fehlt.
Ein weiteres Phänomen, das die Kehrseite des Tourismus beleuchtet, ist der Müll, den Touristen oft achtlos hinterlassen. Madeira, bekannt für seine atemberaubende Natur, leidet besonders unter diesem Problem. Touristen, die den Schutz der Umwelt vernachlässigen, werfen ihre Abfälle gedankenlos in die Natur, hinterlassen eine Spur aus Plastikflaschen, Verpackungen und vor allem benutztem Toilettenpapier oder Papiertaschentüchern entlang der Wanderwege und Strände. Diese Rücksichtslosigkeit wirft nicht nur die Frage nach dem Respekt gegenüber der Natur auf, sondern auch nach dem fehlenden Anstand der Menschen, die all dies hinterlassen. Es ist beschämend zu sehen, wie selbst Gummihandschuhe achtlos in die Landschaft geworfen werden. Man fragt sich, zu welchem Zweck diese überhaupt verwendet wurden und warum es so schwer ist, Müll korrekt zu entsorgen.
Die Verantwortungslosigkeit, die sich hier zeigt, wirft ein schlechtes Licht auf den Tourismus und zerstört langfristig die Schönheit, die die Besucher ursprünglich angezogen hat.
Ein weiteres, oft übersehenes Problem ist die mangelnde Anpassung an die lokale Kultur und Sprache. Viele Touristen gehen davon aus, dass sie sich mit ihrer Muttersprache überall verständigen können. Auch bei der Wahl der Restaurants zeigt sich diese Ignoranz. Statt die lokalen Spezialitäten zu probieren, suchen sie nach Gerichten, die sie auch zu Hause essen würden. Damit entgeht ihnen nicht nur ein wichtiger Teil der kulturellen Erfahrung, sie tragen auch wenig zur Unterstützung der lokalen Gastronomie bei. Dieser Mangel an Interesse und Respekt gegenüber der Kultur des besuchten Landes kann langfristig die Beziehungen zwischen Touristen und Einheimischen belasten.
Tourismus ist eine Chance, die Welt zu entdecken und andere Kulturen kennenzulernen. Doch mit dieser Möglichkeit kommt auch die Verantwortung, respektvoll und bewusst zu reisen. Jeder Tourist sollte sich darüber im Klaren sein, dass sein Verhalten Auswirkungen hat – auf die Menschen, die Natur und die Kultur des besuchten Landes.
Es liegt an uns allen, die negativen Seiten des Tourismus zu minimieren, indem wir uns an die Regeln halten, die Umwelt respektieren und offen für neue kulturelle Erfahrungen sind. Denn nur so kann Tourismus wirklich bereichernd sein – für beide Seiten.
Dieser Artikel wurde von Michelle Melanie Stämpfli, Studentin, Wirtschaftsinformatik an der HSLU verfasst und am Schreibwettbewerb von FH SCHWEIZ eingereicht.
Dem Gewinner bzw. der Gewinnerin winken 1000 Franken. Noch bis Ende November kann für die Texte mittels Likebutton gevoted werden. Zeitgleich vergibt eine Jury zwischen 1-10 Punkte. Die Gewichtung des Öffentlichkeits-Voting und jener der Jury ist 1:1. Im Dezember wird der oder die Gewinner:in kommuniziert.
Dies ist dein Lieblings-Artikel unter allen Einsendungen?