Autor: Guy Studer
Gesetzliche Regulierung im Bereich der künstlichen Intelligenz tut not, politische Forderungen nehmen zu. Was ist der Stand? Prof. Ursula Sury verantwortet verschiedene Bereiche an der Hochschule Luzern, darunter den Fachbereich Recht. Zudem ist sie Vizedirektorin Weiterbildung am Departement Informatik. Sie führt in Luzern eine unter anderem auf Datenschutz spezialisierte Anwaltskanzlei.
Ursula Sury: Betreffend KI haben wir in der Schweiz (noch) kein eigenes Gesetz. Bisher gilt für KI das gültige Datenschutzgesetz (revDSG). Es ist fraglich, ob das ausreicht, weshalb der Bundesrat den Auftrag erteilt hat, dazu eine Analyse zu erstellen.
In den USA besteht noch kein bundesweites Gesetz. Es existieren Guidelines (eine Executive Order von Präsident Biden für Anwendungen innerhalb der obersten US-Behörden und der US-Regierung), zudem hat Kalifornien ein KI-Gesetz verabschiedet. Die EU ist weiter, dort ist am 1. August der sogenannte AI Act in Kraft getreten. Es ist das erste länderübergreifende KI-Gesetz und schafft einen regulatorischen rechtlichen Rahmen für die gesamte EU. Es besagt vereinfacht: KI darf man nicht so einsetzen, dass Menschen manipuliert werden, zudem muss der KI-Einsatz transparent gemacht werden. KI-Anwendungen werden dabei in vier Risikostufen eingeteilt, wobei solche der höchsten Risikostufe verboten werden können, beispielsweise im Bereich der Gesichtserkennung. Als Basis für die Demokratie erachte ich das als sehr wichtig.
Das Problem mit der künstlichen Intelligenz ist, dass sie bestehende Probleme, die man bezüglich Datenschutz im Internet bereits heute hat, potenziert. KI-Programme sind Datenfresser, die Informationen praktisch unkontrolliert weiter verarbeiten und sie mit anderen in Zusammenhang bringen. Sie ziehen neue Schlüsse, stellen aber auch falsche Zusammenhänge her, so werden künstlich neue «Tatsachen» geschaffen, die sich festigen. Hier wird es gefährlich, denn das bedroht die freie Meinungsbildung und damit ganze demokratische Systeme.
Diese sogenannten Gatekeeper hat die EU identifiziert. Für diese gilt der Digital Markets Act, der dafür sorgen soll, dass die digitale Wirtschaft fairer wird und wettbewerbsfähig bleibt. Die Tech-Konzerne müssen ihre Anwendungen auch so gestalten, damit sie uns nicht manipulieren, uns nicht zu bestimmten Anbietern oder Resultaten steuern. Diese Gleichbehandlung betrifft aber auch die kommerziellen Kunden der Anbieter. Keiner darf wettbewerbsverzerrend bevorzugt werden.
Das beginnt bereits bei der Anwendung. Wer etwas in ein KI-Programm eingibt, gibt Daten an Dritte weiter. Wenn ich einen Zeitungsartikel zusammenfassen lassen will von einer KI, verletze ich das Urheberrecht, also geltendes Gesetz. Das gilt auch für Bilder.
Daher ist heute die Sensibilisierung der Anwender so wichtig. Viele Firmen tun dies, Angestellte dürfen gewisse Daten nicht in ein KI-unterstütztes Programm eingeben, oder die Verwendung von KI wird gleich ganz verboten. Aber das Bewusstsein ist noch nicht überall genügend vorhanden. Dabei ist die Sorgfaltspflicht der Unternehmen im Bereich der Compliance gesetzlich geregelt. Die Verfügbarkeit von KI führt aber dazu, dass diese Regeln fast unkontrolliert unterwandert werden. Daher muss man auch bei den Gatekeepern ansetzen.
Die Schweiz ist bekanntlich zurückhaltend und abwartend. Man verfolgt bei der Gesetzgebung den Ansatz, nicht sofort neue Gesetze zu erlassen, sondern prüft eher bestehende Gesetze dahingehend, ob sie einen Bereich bereits abdecken. Bei Bedarf werden diese dann durch neue Bestimmungen ergänzt. Dazu kommt die Trägheit unseres Rechtsstaats, gepaart mit der direkten Demokratie.
Ich gehe nicht davon aus, sondern dass auch in diesem Fall wie üblich vorgegangen wird.