«Es gab auch Momente, in denen ich haderte»

Manuel Kunzelmann ist seit Mitte letzten Jahres CEO der Migros Bank. Seinen Neustart an der Spitze der Grossbank hatte er sich anders vorgestellt. Über den Antritt mitten in der Pandemie, Führung über Distanz sowie seinen persönlichen Bezug zur Migros erzählt er im Interview.

Es war Januar 2020, als die Personalie veröffentlicht wurde: Manuel Kunzelmann (46) werde von der Basellandschaftlichen Kantonalbank an die Spitze der Migros Bank wechseln. Damals war kaum absehbar, dass die Welt zur Zeit seines Stellenantritts Anfang Mai eine ziemlich andere sein würde. Die Pandemie hatte das öffentliche Leben und die Wirtschaft fest im Griff. Der FH-Absolvent hat die Situation letztlich sportlich genommen, hofft aber dennoch darauf, dass in absehbarer Zeit wieder Normalität einkehrt.

 

Manuel Kunzelmann, die Migros-Genossenschaft ist eine Institution. Fast alle haben einen Bezug zu ihr. Sind auch Sie ein «Migros-Kind»?

Manuel Kunzelmann: Wie es der Zufall will, hat meine Mutter eine KV-Lehre gemacht und ihre ersten Berufserfahrungen bei der Migros-Genossenschaft Genf gesammelt. Dort hat sie auch meinen Vater kennengelernt. Die Verbundeheit war also früh da, und natürlich haben auch wir oft dort eingekauft. Die legendäre Rahmglace und die Bärentatzen sind lebhafte Kindheitserinnerungen.

 

Auch Sie haben eine duale Ausbildung gemacht. Wie hat Sie das geprägt?

Ich kam früh mit der betrieblichen Praxis in Berührung, wenn auch eher oberflächlich. Entscheidend finde ich, dass man auf diesem Weg bereits mit einem Erfahrungsschatz aus der Praxiswelt und mit Lebenserfahrung ins Studium kommt. Während des Studiums kann man dadurch Bezugspunkte zum Beruf aufbauen, was wertvoll ist. Dies bemerke ich im Umkehrschluss auch bei den FH-Absolventen oder Werkstudenten unter den Mitarbeitenden. Haben sie Praxiserfahrung, ist die Zusammenarbeit immer einfacher.

 

Seit knapp einem Jahr gibt die Corona-Pandemie unseren Rhythmus vor. Wie erleben Sie diese Zeit, ist sie auch für Sie persönlich eine Zäsur?

Eine Zäsur hätte eigentlich meine Weltreise werden sollen, vor dem Antritt der neuen Stelle. Es wäre die erste grössere Reise nach 20 Jahren im Berufsleben gewesen. Doch ich musste sie leider infolge der Pandemie im März abrupt beenden. Speziell war es also sicher auch für mich.

 

Und wie hat sich die Krise auf Ihren Start ausgewirkt?

Natürlich war es nicht die Situation, die ich mir vorgestellt hatte, und es gab im Vorfeld auch Momente, in denen ich damit haderte. Denn ich arbeite gerne mit Menschen zusammen, um Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Aber letztlich war der Start einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte. Zwar gab es mehr Einzeltreffen als üblich, doch die Möglichkeiten und Tools, um auf Distanz zusammen zu arbeiten, haben sich bewährt. Zudem war es eine sehr lehrreiche Zeit, wir haben viel über Kommunikation über Distanz gelernt, gerade im Management.

 

Wie wirkt sich diese Distanz auf die Mitarbeiterführung aus?

Es bedeutet Führen mit weniger Information über die Menschen. Ich habe gelernt, dass es sehr hilft, wenn man die Menschen physisch sieht. Führung gelingt, wenn ich die Menschen gut lesen kann. Welche Unterstützung brauchen Sie? Kann ich etwas mehr Leistung einfordern, oder sollte ich etwas nachgeben? Dies abzuschätzen, ist über die Distanz schwieriger.

 

Sozusagen wie ein Flug im Nebel?

Man könnte es so sagen. Es funktioniert als Alternative, bringt aber Einschränkungen, mehr als ich vermutet hätte.  Die Alternative wäre, die Führungszeit zu reduzieren, was ein Vakuum schaffen würde. 

 

Was waren oder sind Ihre grössten Herausforderungen infolge der Corona-Krise?

Das ist wohl das bereits erwähnte Führen auf Distanz im virtuellen Raum. Es geht ja auch darum, wie man die Leute ins Boot bringt. Wie bleibt es interessant? Diese Fragen haben wir uns in der Geschäftsleitung und ich mir persönlich immer wieder gestellt. Dazu kommt die Sorge darum, unsere Mitarbeitenden gesund durch diese Krise bringen, ihre Motivation hoch zu halten, auch bei Ängsten. Gerade im letzten Frühling war letzteres ein Thema. Das andere ist natürlich die wirtschaftliche Resilienz der Bank. Wir wissen ja noch nicht genau, was noch kommt, und ob das Regime mit den Nothilfe-Krediten und der Kurzarbeit fortgeführt wird. Wie stabil sind die Unternehmen? Was bedeutet das für die Ökonomie der Bank?

 

Um bei der Führungsfrage zu bleiben: Was bedeutet für Sie Führungskompetenz?

Für mich gibt es fünf entscheidende Faktoren: das Denken im Grossen und Ganzen als Grundlage für gute Entscheide. Antrieb, was für mich viel mit Offenheit und Neugierde zu tun hat. Mut und Entschlossenheit: Diese braucht es gerade in einer Zeit, in der man auch mal aus dem Bauch heraus entscheiden muss. Empathie und Vertrauen: Damit gelingt die Zusammenarbeit mit Menschen. Verbindlichkeit und Ergebnisorientierung: Damit werden aus Worten Taten.

 

Ist es denkbar, dass die Migros Bank dereinst, wenn die Pandemie ausgestanden ist, einfach zum vorherigen Courant normal zurückkehrt?

Es wird anders sein als vorher, gestützt auf die Erfahrungen, die wir jetzt machen. Wir kommunizieren mehr als üblich im Moment. Einige Dinge werde ich also wohl mitnehmen. Was genau, werde ich noch entscheiden müssen. Aber ein Teil wird sicher wieder physisch werden, da habe ich als Mensch natürlich auch am meisten Erfahrung. Es wird wohl mehr auf eine hybride Arbeitsweise hinauslaufen, als wir sie bisher hatten.

 

Wie oft arbeiten Sie selber im Home-Office?

Um ehrlich zu sein, nur sporadisch. Ich finde es eine gute Sache und bin auch Verfechter davon. Bei mir war es aber im letzten halben Jahr speziell. Ich durfte viele Leute persönlich kennenlernen, sie gerade in meiner Anfangsphase auch physisch treffen. Da gab es auch nicht so viel Platz für Home-Office. Jetzt hängt es sehr von meinem Rhythmus und meinem Tagesablauf ab, wo ich arbeite. Aber es gibt immer wieder Zeitfenster, in denen ich auch im Home-Office arbeite. Gerade bei Tätigkeiten, bei denen ich mich konzentrieren muss, arbeite ich gerne von zu Hause aus.

 

Also sind Sie täglich im Büro anzutreffen?

Ich bin an den meisten Tagen in einem Büro der Bank. Nicht unbedingt immer hier am Hauptstandort in Zürich, aber an einem unserer Firmenstandorte.

 

Wird die Migros Bank flexibles Arbeiten auch nach dieser speziellen Zeit fördern?

Wir sind in diesem Bereich progressiv und haben bereits vieles reguliert – gerade auch nach meiner Ankunft. Wie erwähnt, ich bin ein Befürworter davon, auch weil ich überzeugt bin, dass es sehr gute Rahmenbedingungen braucht, um Talente anzuziehen.  Deshalb haben wir auch die Work Smart Charta unterzeichnet, mit der wir uns verpflichten, intern flexible Arbeitsformen zu unterstützen.

 

Also steht es den Mitarbeitenden frei zu entscheiden, von wo aus sie arbeiten?

Auf breiter Ebene kann man das sagen, ja. Es gibt wenig Einschränkungen. Natürlich muss der Arbeitsort auch zu den Funktionen passen.

 

Sie haben selber Weiterbildungen absolviert. Was tut die Migros Bank dafür?

Wir investieren sehr viel in unsere Mitarbeitenden, rund 2000 Franken pro Person und Jahr. Dies beinhaltet interne Weiterbildung wie auch externe. Jährlich sind zudem 60 junge Menschen bei uns in der Ausbildung, wovon auch 90 Prozent bei uns bleiben können und wollen.

 

Welche Tipps geben Sie bezüglich Weiterbildung?

Ich komme aus einer Welt, in der man lernt, dass einen vor allem fachliches Wissen weit bringt. Inzwischen weiss ich, dass es ein Gesamtkunstwerk ist, in dem weiche Faktoren eine genauso grosse Rolle spielen. Deshalb würde ich jeder Person sagen: Mach das, woran du Freude hast, wo du auf deine Stärken bauen kannst. Und siehe zu, dass du so viel in die Soft Skills investierst, wie in die Fachkompetenzen.

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