«Fragen Sie mich nochmals in einem Jahr»

  • 06.09.2024
  • 5 min
Der Ruhestand winkt. Über 13 Jahre lang prägte Jean-Marc Piveteau als Rektor der ZHAW die grösste Fachhochschule der Deutschschweiz. Ende Januar 2025 ist Schluss und Regula Altmann-Jöhl tritt seine Nachfolge an. Eine kleine persönliche Bilanz.

Autor: Guy Studer

 

Nach fast 20 Jahren des Wachstums sind die Fachhochschulen in einer Phase der Konsolidierung. Fällt Ihnen der Abschied somit etwas leichter?

Die heutige Zeit würde ich nicht als «Konsolidierungsphase» bezeichnen. Das erweckt den Eindruck, wir müssten den Bestand sichern und uns stabilisieren. Natürlich gibt es kein Wachstum wie früher. Die Dynamik aber ist nach wie vor sehr gross und es finden Veränderungen statt, genauso wie schon vor 20 Jahren. Das betrifft insbesondere die Studien- und Weiterbildungsangebote, mit denen wir neue Felder betreten, wo Kreatives und Innovatives entsteht.

 

Ihr Job ist also spannend wie eh und je?

Ja, es bleibt spannend, dynamisch und anspruchsvoll, gerade auch, wenn wir auf den europäischen Hochschulraum blicken. Wir entwickeln uns weiter.

 

In einem Interview mit der NZZ sagten Sie einst: «Eine kritische Haltung ist einer Hochschulkultur inhärent – mit Recht. Ich brauche diese Kritik und ich ermuntere meine engsten Mitarbeitenden, mir gegenüber ehrlich zu sein.» Haben sich Ihre Mitarbeitenden diese Worte zu Herzen genommen?

Aber sicher! Glaubten Sie, ich würde etwas anderes antworten (lacht)? Im Ernst, Sie stellen ja die wichtige Frage nach der Hochschulkultur. Man muss kritisch sein, eine kritische Haltung pflegen und fördern. In einer Hochschulkultur geht es um Eigenverantwortung, um Kreativität, um Dialog, und eben ganz wichtig: um Reflexionsfähigkeit. Darauf basieren in einer Hochschule schliesslich Partizipation und Chancengerechtigkeit – Grundlagen für Dynamik. Gerade im vergangenen Strategieprozess stellte sich diese Kulturfrage wieder.

 

Stichwort Reflexion: Was haben Sie über sich selbst gelernt in den letzten 13 Jahren?

Eine gute Frage (überlegt kurz). In die Funktion eines Rektors wächst man hinein. Ich rede bewusst vom Wachsen, nicht vom Lernen. Man sammelt Erfahrung, wird reifer, baut sein Verantwortungsbewusstsein aus – Verantwortung gegenüber allen Seiten, wie Studierenden, Mitarbeitenden oder Trägern. Diesen Prozess durfte ich bei mir erleben.

 

Was werden Sie an Ihrem Amt vermissen?

Da muss ich passen. Ich weiss es nicht! Sicher ist nur: Ich werde ganz bestimmt einiges vermissen. Fragen Sie mich dazu nochmals in einem Jahr (lacht).

 

Und worauf freuen Sie sich am meisten im kommenden Lebensabschnitt?

Sie sind nicht der Erste, der die Frage stellt. Ich werde oft gefragt: «Worauf freust du dich? Und was wirst du machen?» Das würde ich ja auch selber fragen.

 

Was würden Sie darauf antworten?

Ich werde sicher geniessen, dass ich nicht alles im Voraus planen, erklären und entscheiden muss. Aber das ist ja keine richtige Antwort! Alles, was ich eigentlich sagen kann, ist, dass ich mich sehr auf die nächste Lebensphase freue, was auch immer sie mit sich bringt.

 

Keine konkreten Pläne?

(Lächelt und zuckt mit den Schultern) Sehen Sie, ich bin nächstes Jahr nicht mehr Rektor und habe deshalb die wunderbare Freiheit, darauf nicht antworten zu müssen.

 

 

Mathematiker mit Wirtschaftserfahrung

Seit Herbst 2011 ist Prof. Dr. Jean-Marc Piveteau Rektor der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Der gebürtige Freiburger (Jahrgang 1961) ist promovierter Mathematiker (ETH) und war vorwiegend in den 1990er-Jahren in der Privatwirtschaft tätig. 2002 wechselte er als Professor für Informatik an die Hochschule Rapperswil (heute OST), wo er ab 2004 als Prorektor amtete.


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