Noch während ihrer Arbeit als Lehrerin hat Karin Rey mit dem Schreiben ihres ersten Buchs begonnen. Sie hat schnell gemerkt, wie die Arbeit als Lehrerin die nötige Energie für das Schreiben und umgekehrt das Schreiben die nötige Energie für den Unterricht raubte. So hat sie sich eine Auszeit gegönnt und auf Reisen ihr Buch fertig geschrieben. Etwas ernüchtert musste sie feststellen, dass sie gar nicht wusste, was überhaupt einen guten Text ausmacht. Und Unsicherheit hält sie für einen der grössten Feinde beim Schreiben.
Als Pädagogin war ihr bewusst, wie Dinge gemeinschaftlich viel besser gelingen und mehr Spass machen können. Dies war ihre Hoffnung: Ein Studium am Schweizerischen Literaturinstitut würde ihr das Rüstzeug und die Teamarbeit für ein gelungenes Schreiben bieten.
Was nimmt im Literaturstudium der grösste Platz ein?
Das Mentorat. Wir schicken alle zwei Wochen Texte und besprechen diese mit unseren Mentoren. Was dann mit diesen Texten passiert, ist den Student*innen überlassen. Sie können sie in ein Projekt einbinden oder auch nicht. In den ersten beiden Jahren können Texte auch verworfen oder stillgelegt werden. Für die Bachelorarbeit hingegen ist das Ziel, ein Jahr lang ein Projekt durchzuziehen, vielleicht sogar abzuschliessen oder danach weiterzuführen.
Ich kann mit Freude sagen: Ich habe am Literatur Institut bekommen, was ich mir erhofft habe und ja, miteinander ist man viel gestärkter!
Was hat sich für dich mit dem plötzlichen Wechsel auf (mehrheitlich) digitalen Unterricht am meisten verändert?
Der Umbruch zwischen dem ersten normalen Semester und dem «Corona-Jahr» war gross: Die «Korridor-Gespräche», welche gerade in einem so kleinen Institut regelmässig stattfinden sowie auch Gespräche auf Französisch fehlten mir sehr, denn online gingen sie verloren. Dafür habe ich auf Anfrage eine kleine Gruppe von Kommiliton*innen gefunden, mit denen ich mich fast wöchentlich über das Schreiben unterhalte. Wir tauschen regelmässig Texte aus und geben einander dazu Feedback. Ein solcher Austausch wäre ohne die Digitalisierung wohl nicht zustande gekommen. Dank diesem Format sind wir auch wahnsinnig effizient, weil der Raum und die Zeit gegeben sind und auch Anreisezeiten wegfallen. Ich profitiere sehr davon und bin dankbar dafür, neben den Rückmeldungen meiner Mentorin Ruth Schweikert, weitere wertvolle Betrachtungsweisen meiner Texte zu erhalten. Zudem mag ich es, die Texte meiner Kolleg*innen zu lesen. Ich lerne immer etwas dazu.
Gibt es Themen, die dich besonders anziehen?
Grundsätzlich sind es Themen aus dem Alltag, die ich aufnehme. Mir gefällt es, die Gedanken eigentlich erst beim Schreiben richtig zu Ende zu führen. Das Schreiben ist immer une trace écrite vom Denken.
Mich interessiert zum Beispiel die Frage inwiefern die Gesellschaft auf Paarbeziehungen ausgerichtet ist. Als ich von den sogenannten Incels (Kofferwort aus involuntary, dem englischen Wort für ‚unfreiwillig', und celibate, dem englischen Wort für ‚zölibatär') gehört habe, war für mich klar: Das ist die fehlende Verbindung zwischen «meinem Thema» und einer Geschichte. So habe ich das Projekt aus meinem zweiten Jahr darauf aufgebaut und abgeschlossen. Jetzt bin ich an den finalen Anpassungen, um Agenturen dreissig Normseiten aushändigen zu können. Ich wünsche mir, dass ich im Verlauf der nächsten Monate Rückmeldung bekomme. Das wäre eine schöne Bestätigung und ein direkter Übergang vom Studium ins Berufsleben.