Herr Walder, wie viele Paar Schuhe besitzen Sie?
Daniel Walder: Ich bin ja sozusagen in der Schuhschachtel geboren. Schon als Kinder waren wir oft in den Filialen, die Liebe zu den Schuhen wurde mir in die Wiege gelegt. Gleichzeitig bin ich Repräsentant, also muss ich immer unsere aktuellen Schuhmodelle tragen, gerade wenn ich eine Filiale besuche. Sonst wird hinter meinem Rücken geschwatzt (schmunzelt). Ich miste zwar immer wieder aus, besitze aktuell aber trotzdem rund 30 Paar Schuhe. Da zähle ich die Running-Schuhe dazu, neben den Skischuhen die einzigen, die ich nicht bei uns kaufe.
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Trotz Online-Boom betreiben Sie weiterhin erfolgreich Schuhgeschäfte. Kann man Schuhe einfach weniger gut online bestellen?
Es ist schon so, dass nicht jeder Schuh gleich gut sitzt, wie das etwa bei einem T-Shirt oder Hemd ist. Trotzdem werden sehr viele Schuhe online bestellt, mindestens ein Fünftel. Der stationäre Verkauf ist gleichzeitig immer anspruchsvoller geworden. Es liegt an einem guten «Multi-Channelling», dass auch bei guten Fachhändlern weiter gekauft wird – also dass man die verschiedenen Verkaufskanäle ausgewogen bedient.
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Wie reagieren Sie als GeschäftsfĂĽhrer und Unternehmer auf diese Entwicklung?Â
Erstens müssen wir eine attraktive Kollektion anbieten, das ist nach wie vor sehr entscheidend. Zweitens: guter Service. Da kommt man um die Digitalisierung nicht herum, so prüfen wir derzeit, ob wir unsere Mitarbeitenden in den Geschäften mit Smartphones ausrüsten, damit sie noch schneller nachschauen können, ob ein Modell noch verfügbar ist. So müssen sie auch nicht von der Kundin weg. Zum guten Service gehört auch Nachhaltigkeit. Wir arbeiten zum Beispiel mit Kickbag zusammen, die wiederverwendbare Verpackung für den Versand anbietet. Auch unsere Versandkartons werden wiederverwendet. Drittens: Wir sind ein Schweizer Familienunternehmen. Das habe ich zwar nicht selber erarbeitet, aber es wird als Mehrwert verstanden. Damit kann und soll man auch punkten. Denn der Detailhandel ist nicht einfach und ein Familienunternehmen mit Tradition nicht mehr selbstverständlich.
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Stichwort Familienunternehmen: Inwiefern ist heute unternehmerisches Denken und Handeln mehr gefragt als noch zur Zeit Ihres Grossvaters?Â
Ich glaube nicht, dass das heute mehr gefragt ist. Auch damals kam man nicht voran, wenn man nicht unternehmerisch dachte und handelte. Mein Grossvater war es, der als Letzter den SchlĂĽssel zur Fabrik drehte und das damalige Kerngeschäft, die Schuhproduktion, aufgeben und neue Lösungen finden musste. Meine Eltern haben von Grund auf Kollektionen zusammengestellt und dazu wochenlang Fabriken im Ausland abgeklappert. Ohne unternehmerisches Denken und Handeln gäbe es unsere Generation in der Firma nicht. Wenn mich also jemand wegen der Coronakrise bemitleidet, sage ich: Lieber Corona, als dass mir das Kerngeschäft wegbricht. Was es heute vielleicht eher braucht, ist mehr Selbstorganisation und mehr Struktur. Denn die Welt ist schneller geworden.Â
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Hat Sie das FH-Studium gut auf die Aufgaben im Unternehmen vorbereitet?
Vorbereitet ist ein gutes Wort. Denn die grössten Learnings kamen im Betrieb. Aber an der FH konnte ich mir einen Instrumentenkoffer aneignen. Ich lernte die fachlichen Zusammenhänge wie Lieferprozesse oder Marketing kennen und verstehen. Und ich gehe auch heute noch hie und da etwas nachschauen in den Unterlagen. Ausserdem hat mir das Studium damals gezeigt, ob die Geschäftsführung wirklich etwas für mich ist. Ich bin also in mehrfacher Hinsicht froh um das FH-Studium.
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Dieser Beitrag ist als Erstpublikation im Magazin INLINE, Ausgabe Februar 2022 erschienen.
Das Familienunternehmen Walder Schuhe blickt auf eine bald 150-jährige Geschichte zurück.
Daniel Walder (40) hat 2014 die GeschäftsfĂĽhrung ĂĽbernommen und fĂĽhrt die Firma seither mit seinen Schwestern Martina Walder und Sandra Furger-Walder in sechster Generation. Er hat an der ZHAW Betriebsökonom studiert sowie einen CAS an der Uni St. Gallen absolviert.Â