
Den Zebrastreifen beim Bahnhof Bülach kann Fabienne Dütschler nicht benutzen. Die Rampen sind so steil angelegt, dass sie mit ihrem Elektrorollstuhl kippen oder hängen bleiben könnte. Also überquert sie die viel befahrene Strasse einige Meter weiter links davon. Als sie hinter dem wartenden Bus hervorfährt, kommen ihr zwei Autos entgegen – keines hält an. Bei der Praxis für Gefässmedizin dagegen ist zwar ein hindernisfreier Zugang ohne Stufen markiert. Doch die Eingangstür ist so schwer, dass man sie in sitzender Haltung unmöglich öffnen kann. Auf Bitte von Fabienne Dütschler hat die Praxis nun einen Knopf an der Wand montiert. Nach dem Drücken öffnet sich die Tür automatisch, sodass die Rollstuhlfahrerin ihre Termine selbstständig wahrnehmen kann.
Die 54-Jährige leidet an einer Muskelkrankheit und hatte vor einigen Jahren zwei Hirnblutungen. Sie ist halbseitig gelähmt und seit 2018 für längere Strecken auf den Rollstuhl angewiesen. Aktuell nimmt sie am Forschungsprojekt «Mobile» teil, welches das ZHAW-Institut für Ergotherapie gemeinsam mit der Haute Ecole spécialisée de Suisse occidentale in Lausanne und weiteren Partnern durchführt. Das Projektteam macht schweizweit 50 qualitative Interviews mit Menschen, die mit verschiedenen Behinderungen leben. Neben körperlichen Beeinträchtigungen wie Geh-, Hör- und Sehbehinderungen werden auch geistige, psychische und kognitive Einschränkungen berücksichtigt. In der zweiten Phase ist eine quantitative Befragung von rund 500 Personen geplant.
Mobilität ist wichtig für die gesellschaftliche Teilhabe
Brigitte Gantschnig, Leiterin Forschung und Entwicklung Ergotherapie
Sei es der Umgang mit digitalen Medien oder die Gestaltung eines Schulhauses – bei derartigen Themen und Projekten haben Kinder häufig kein Mitspracherecht, obwohl sie unmittelbar betroffen sind. Dies widerspricht der Uno-Kinderrechtskonvention, die auch die Schweiz unterzeichnet hat. Gemäss dieser Vereinbarung sollen Kinder und Jugendliche nicht nur angehört werden, sondern sie haben auch ein Recht auf Information, Anwesenheit, freie Meinungsäusserung sowie auf eine Vertretung in Entscheidungsgremien.
Die neue Fachstelle «Partizipative Methoden für Kinder und Jugendliche» am Departement Gesundheit soll dazu beitragen, dass diese Bevölkerungsgruppe bei ZHAW-Projekten vermehrt einbezogen wird. «Kinder werden häufig zum Untersuchungsgegenstand, statt dass sie als Co-Forschende auftreten dürfen», sagt Fachstellenleiterin Christina Schulze vom Institut für Ergotherapie. Fachpersonen aus verschiedenen Bereichen wie etwa Architektur, Gesundheit, Recht, Soziales und Pädagogik sollen Beratung und Unterstützung erhalten bei der Konzeptentwicklung, in ethischen Fragestellungen, bei der Rekrutierung, Methodenwahl und Umsetzung.
Je nach Projekt eignen sich verschiedene Methoden, um Kinder und Jugendliche einzubeziehen. Man kann sie zum Beispiel in ihrer Lebenswelt beobachten, mit ihnen einen Ort begehen, sie Fotos machen lassen, einen Workshop mit Bastelmaterial organisieren oder in Gruppeninterviews Ideen entwickeln. «Kinder sind sehr kreativ», betont Schulze. Klar äusserten sie manchmal auch unrealistische Vorschläge, wie etwa eine Achterbahn auf dem Spielplatz oder Gratis-Cola im Schulhaus. Oft brauche es etwas Übersetzungsarbeit, um das grundlegende Bedürfnis dahinter herauszuspüren, erklärt Schulze. «Es geht nicht darum, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen, sondern darum, in einen Dialog zu treten.»
Der Fachstelle ist auch das Projekt «Alleinerziehend Winterthur» angegliedert. Im Rahmen des Angebots «Hand in Hand» unterstützen seit Herbst 2024 je zwei Studierende verschiedener Gesundheitsberufe Einelternfamilien, indem sie sie für rund zwei Stunden wöchentlich im Haushalt oder der Kinderbetreuung entlasten. Dafür erhalten sie zwei bis drei Credits. «Die Erfahrung ermöglicht den Studierenden einen Einblick in eine andere Lebenswelt», sagt die Verantwortliche, Moira Trüb vom Institut für Public Health. Auch hier sollen die Kinder mitreden und ihre Bedürfnisse einbringen können.
Dieser Artikel wurde als Erstpublikation im ZHAW Impact veröffentlicht.