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Politik am Bild­schirm: spie­lend gegen soziale Un­gleich­heit

Ob Kinder und Jugendliche zu politisch interessierten Menschen werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So ist bekannt, dass der sozioökonomische Status und die Teilnahme am politischen Leben zusammenhängen. Ein höherer Bildungsgrad und höheres Einkommen machen es wahrscheinlicher, dass sich jemand für Politik interessiert. Auch der Umgang mit politischen Themen, den Kinder und Jugendliche zuhause erleben, spielt eine Rolle. Wenn am Familientisch über Politik gesprochen wird und Eltern sich mit ihren Kindern über gesellschaftliche Themen austauschen, sind die Chancen zumindest intakt, dass der Nachwuchs dereinst ein politisches Interesse zeigen wird. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann das den betreffenden Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Politik erschweren.

Das Projekt «Politik für alle – den sozioökonomischen Graben überbrücken» hat sich zum Ziel gesetzt, dieser Ungleichheit entgegenzuwirken – und zwar auf einer spielerischen Ebene. Es soll ein Serious Game entwickelt werden, das vor allem bei nicht oder nicht sonderlich interessierten Kindern und Jugendlichen die Beschäftigung mit Politik ermöglicht und so die intrinsische Motivation fördert, sich mit Politik zu beschäftigen. Serious Games ermöglichen einen spielerischen Zugang zu komplexen Themen und fördern so den Wissenserwerb.

In einem ersten Schritt wurden im März über 800 Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Deutschschweizer Kantonen einerseits zu ihrem politischen Interesse, andererseits zum Interesse am Thema «Gaming» befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass «Gaming» zwar nicht auf alle, aber doch auf viele junge Menschen einen Reiz ausübt – auf die jüngeren und die männlichen Umfrageteilnehmenden etwas stärker, ebenso wie auf diejenigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft oder auf Doppelbürger:innen. Politik hingegen steht bei den Befragten nicht im Fokus. Die Erkenntnis, dass sich Kinder und Jugendliche mit ausländischem Pass noch weniger für regionale und nationale Politik interessieren, könnte bedeuten, dass sich diese Gruppe (noch) nicht als Teil der Schweizer Gesellschaft fühlt. So liesse sich mit einem gesteigerten Interesse an Politik gleich auch die gesellschaftliche Inklusion fördern.

Vorzeichen stehen gut

Insgesamt, so zeigt diese Studie der FH Graubünden, stehen die Vorzeichen also gut, dass mit Gaming viele Kinder und Jugendliche auch tatsächlich erreicht werden könnten. Dies ist umso bedeutender, da die Umfrage auch zeigt, dass Kinder von eher bildungsfernen Eltern zuhause tatsächlich weniger Berührungspunkte mit politischen Themen haben. Politik am Küchentisch scheint hier keinen sonderlich grossen Stellenwert zu haben. Etwas nachdenklich stimmt zudem die Erkenntnis, dass sich die Kinder und Jugendlichen von den Politiker:innen nicht unbedingt wahrgenommen fühlen. Auch hier gibt es Luft nach oben.

Nachdem die erste Projektphase nun beendet wurde, sollen in einem nächsten Schritt Diskussionsrunden mit einem Teil der Befragten geführt werden, dies mit dem Ziel herauszuarbeiten, wie ein Serious Game gestaltet werden könnte, damit es für die Zielgruppe attraktiv ist. Dieser partizipative Ansatz soll sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen auch wirklich berücksichtigt werden. In der letzten Projektphase steht die Konzipierung und Entwicklung eines Serious Games im Mittelpunkt. Und wenn dann in naher Zukunft viele junge Menschen sich über ihre Natels beugen, um sich politisches Wissen anzueignen und dabei lernen, dass sie ihren Lebensraum aktiv mitgestalten können und sollen, wurde mit diesem Projekt ein gesellschaftlich wichtiges Ziel erreicht.

 

Dieser Artikel wurde als Erstpublikation im Blog der Fachhochschule Graubünden veröffentlicht.

Yvonne Herzig Gainsford, Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin, und Prof. Dr. Amina Ovcina Cajacob, Dozentin, sind am Institut für Multimedia Production (IMP) der FH Graubünden tätig. Alle vier Wochen diskutiert die einzige Fachhochschule im Kanton an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.

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