Alexander Hunziker ist Glücksforscher. Im Themenfeld Positive Leadership, Achtsamkeit und Resilienz trainiert er Führungskräfte und forscht anwendungsorientiert. Er hat Volkswirtschaft und Psychologie an der Universität Zürich studiert und in Betriebswirtschaft promoviert. Seit 21 Jahren ist er Professor an der BFH und befasst sich seit mehreren Jahren mit positiver Psychologie und Meditation aus wissenschaftlicher wie auch aus praktischer Perspektive.
Alexander Hunziker: Ja.
Nun, es ist nicht so, dass ich einfach ein Glückskind wäre. Aber durch meine Forschungstätigkeit habe ich viel über das Glück gelernt und dieses Wissen aktiv bei mir selbst angewendet.
Es gibt zwei grosse Stossrichtungen: zum einen die Stärkung der Charakterstärken, zum anderen die Meditation. Mit meinen Studierenden habe ich Charakterstärkentrainings gemacht – und damit ich diese authentisch vermitteln kann, habe ich sie auch an mir selber durchgeführt.
Die psychologische Sicherheit ist ein grosser Faktor: Studien zeigen, dass jene Person, mit der Mitarbeitende am wenigsten gern zusammen sind, der oder die Vorgesetzte ist. Bei einem positiven Führungsstil sind Mitarbeitende eher bereit, Schwächen zuzugeben oder Unsicherheiten anzusprechen. Damit werden Probleme früher erkannt, das Vertrauen gefördert. Nicht nur zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten, sondern auch innerhalb von Teams. Ein weiterer Faktor ist die Begeisterung: Wenn man gerne zur Arbeit kommt und weiss, dass man geschätzt und gebraucht wird, arbeitet man ausdauernder und weniger fehlerhaft. Und nicht zuletzt führt dies auch dazu, dass die Leute eher dort eingesetzt werden, wo sie gut sind. Denn mit einem wertschätzenden Führungsstil erfährt ein Chef auch mehr über seine Leute. Es entsteht ein Prozess mit Hebelwirkung.
Der erste Punkt ist Mut. Wertschätzendes Führen ist heute noch eher die Ausnahme. Die meisten haben in der Ausbildung gelernt, dass Leute nicht arbeiten, wenn man sie nicht kontrolliert. Die Forschung zeigt das Gegenteil: Wenn man zu eng kontrolliert, sinkt gar die Leistung. Trotzdem hält sich diese Vorstellung hartnäckig. Gegen den Strom zu schwimmen, fällt da nicht leicht. Das ist in Zeiten von Corona-bedingtem Home-Office besonders ungünstig. Ein zweiter Punkt ist, dass ein positiver Führungsstil ein ganz anderes Mindset erfordert: 80 Prozent der Führungsarbeit sollte man auf die Stärken der Mitarbeitenden verwenden, nur 20 Prozent auf die Schwächen. Am besten macht man eine Liste: Was kann ein Mitarbeiter gut? Vielleicht arbeitet jemand nicht so effizient, bringt aber gute Stimmung ins Team. Jemand anderes hat ein gutes Händchen mit Kunden.
Einzelne Interventionen verpuffen rasch, wenn sie nicht Teil eines neuen Führungsverständnisses sind. Wer aber schon intuitiv in diese Richtung unterwegs ist, könnte seiner Haltung viel Schub verleihen mit einem Stärkengespräch. Das muss keine grosse Sache sein, 15 Minuten reichen. Dabei sollte es aber nur um die Stärken der Mitarbeitenden gehen. Viele Führungskräfte haben Angst, dass so geballte Wertschätzung gleich zu Lohnforderungen führt. Das passiert aber höchst selten. Hingegen wirkt ein solches Gespräch sehr motivierend und bringt die Leute auf Ideen, wie sie ihre Stärken einsetzen können. Es ist ein partizipativer Prozess.
Erst muss eine gewisse Bereitschaft da sein. In den Fachkursen beginnen wir mit einfachen Übungen, zum Beispiel, dass man sich vornimmt, eine Woche lang häufiger und intensiver zu lächeln, aber nur in Situationen, wo das Lächeln grundsätzlich passt. Wenn man dann eine Gruppe von Führungskräften nach einer Woche trifft, sind die Erfahrungen im Allgemeinen sehr positiv. Viele hatten die beste Woche seit zehn Jahren. Einzelne meinen aber, es sei nichts Besonderes gewesen, oder ein anderer hat seine Mitarbeitenden verwirrt. Eine andere Aufgabe ist es, Positives herauszustreichen – also auch mal sagen: Ich finde toll, wie du das gemacht hast. Das sind eigentlich Selbstverständlichkeiten. Dass jemand etwas Tolles leistet, ist gar nicht so selten. Dass der Chef das aber herausstreicht, motiviert auch andere.
Natürlich, an einer Fachhochschule geht es aus Prinzip um die Anwendung der Wissenschaft. Die Studierenden erhalten etwa die Hausaufgabe, ihr Handy auszuschalten, wenn sie ihre Freunde treffen, und ihre Freunde ebenfalls darum zu bitten. Die meisten erleben das als sehr cool. Oder ich übe mit ihnen Meditation. Im Rahmen bestimmter Module ist dies ein fixer Bestandteil. Gerade in der digitalen Businesswelt ist das sehr wertvoll. Durch Meditation kann man besser entspannen, besser Entscheide fällen, besser mit Stress umgehen.
Dieses Interview ist als Erstpublikation im Magazin INLINE Mai 2020 erschienen.