Autorin: Elena Ibello
Am Bildschirm sitzen sich die beiden gegenüber, der 26-jährige Lehrer und der 10-jährige Schüler, und erzählen einander von ihren Hobbys. Natürlich tauschen sie sich auch über die Games aus, die sie gerne spielen. Die Gemeinsamkeiten sind schnell gefunden. Der Lehrer Daniel Stefania macht gerne Musik, spielt Klavier und Squash, der Schüler Marco spielt fürs Leben gern Gitarre und ausserdem Tennis. Der Übergang von diesem ungezwungenen Kennenlernen zum eigentlichen Unterricht verläuft fliessend. Von der Frage nach dem Lieblingsgame ist es nicht weit zur Frage, was es denn brauche, um dieses spielen zu können, und kaum ist geklärt, was Programmieren eigentlich ist, haben die beiden schon ganz konkret damit begonnen. Auf der Web-Anwendung des Programms Scratch programmiert der Zehnjährige unter Anleitung von Daniel Stefania sein erstes Game. Noch nie zuvor hat Marco ein Game programmiert, aber nach kurzer Zeit hat er erfasst, wie die Sache funktioniert, und freut sich über die kleinen Erfolge, wenn der als Figur gewählte Ritter sich beispielsweise in die gewünschten Richtungen bewegt oder wenn ein Ton im richtigen Moment erklingt.
Das Unterrichten bringt für mich das Tollste aus allen Disziplinen zusammen.
Daniel Stefania, ZHAW-Absolvent
Diese Freude teilt Stefania mit seinem Schüler unverhohlen. Freude scheint überhaupt einer der grössten Treiber zu sein für den Gründer von Cool Code, der GmbH, die diese Online-Coding-Lektionen anbietet und den Kindern das Programmieren näherbringen will. «Ich programmiere wahnsinnig gern und ich schätze die Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Das Unterrichten bringt für mich das Tollste aus allen Disziplinen zusammen», sagt Stefania. Erst im vergangenen August hat er sein Bachelorstudium der Informatik an der ZHAW abgeschlossen. Schon im April davor hatte er die Cool Code GmbH gegründet. Heute arbeitet er hauptsächlich für sein eigenes Startup und wird dabei unterstützt von Freundinnen und Kollegen, die inzwischen als Lehrpersonen oder im Hintergrund beratend zum Team gehören. Ein Teilzeitpensum bei einem anderen Startup als App-Entwickler ergänzt seine Tätigkeit. «Das passt für mich perfekt. Ich bin froh, dass ich so arbeiten kann.»
Zum Programmieren kam Stefania durch Zufall, wie er sagt. Mit dem Ziel, an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) Film zu studieren, besuchte er den gestalterischen Vorkurs. Bei einer Einführung ins Programmieren war für Stefania plötzlich klar: Das will ich machen. «Für mich war Programmieren von Beginn an etwas Kreatives, etwas, das nah am Menschen ist, und mir war immer klar, dass ich nach dem Studium Apps oder Games entwickeln wollte», erzählt Stefania. Nur, dass es aufs Unterrichten hinauslaufen sollte, das war ihm damals nicht klar.
Die Kinder profitieren insbesondere von zwei Dingen: Von der Erfahrung, dass sich Geduld auszahlt. Und von der Übung, Probleme analytisch und spielerisch anzugehen.
Daniel Stefania, Cool-Code-Gründer
Während des Informatikstudiums an der ZHAW School of Engineering begann er, privat einzelne Kinder ins Programmieren einzuführen. Es kamen weitere Anfragen. Freundinnen und Freunde dieser Kinder klopften an, und irgendwann begann sich in Stefanias Kopf die Idee zu formieren, dieses Angebot zu professionalisieren. «Ich stellte fest, dass hier tatsächlich eine Nachfrage bestand.» In den privaten Lektionen zeigte sich ihm etwas deutlich, was er davor schon wusste: Das Programmieren von Games macht nicht nur Spass, sondern es trainiert auch verschiedene wichtige Fähigkeiten: logisches Denken, Probleme lösen, Kreativität ausleben, Storys entwickeln, Zusammenarbeit mit anderen, eigene Ideen anderen verständlich machen. Alles Dinge, die im Leben hilfreich sind. «Ich bin sicher, dass die Kinder insbesondere von zwei Dingen profitieren: von der Erfahrung, dass sich Geduld auszahlt, wenn etwas nicht beim ersten Anlauf funktioniert. Und von der Übung, Probleme analytisch und spielerisch anzugehen.»
Von der vagen Idee zur eigenen Firma war es ein gutes Stück Weg. Dennoch: Stefania gründete seine Firma, noch bevor er sein Studium abschloss. «Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, aber es war natürlich nicht ganz einfach.» Der Faktor Zeit war für Stefania bei der Gründung die grosse Herausforderung. Als Student kurz vor dem Bachelorabschluss konnte er nicht seine ganze Aufmerksamkeit der neuen GmbH widmen. Ausserdem gründete er alleine und war von A bis Z für alles verantwortlich. Bis heute macht er einen Grossteil der Arbeit selbst, auch die Administration. «Ich habe bewusst darauf verzichtet, Investorinnen oder Investoren zu suchen», sagt er. «Da wir ausschliesslich online unterrichten, können wir die fixen Kosten tief halten. Dafür liegt es ohne Investments von aussen natürlich nicht drin, Arbeiten zu delegieren.» Vorerst will Stefania bei dieser Strategie bleiben. Sein fünfköpfiges Team von Lehrpersonen und «Advisors» im Hintergrund trägt aktuell gut.
Hilfreich bei der Gründung seines Startups waren verschiedene Angebote der ZHAW. «Dank dem Wissen, das ich mir im Grundstudium aneignen konnte, kann ich andere ans Programmieren heranführen», so Stefania. Was ihm darüber hinaus besonders half, waren die Vertiefungen, die er zum Ende des Studiums wählen konnte. «So konnte ich Inhalte zusammenstellen, die zu meiner künftigen Tätigkeit passten, und manchmal Gelerntes direkt für mein Startup brauchen.» Besonders ein spezifisches Angebot für Startups, zu welchem Stefania dank der ZHAW Zugang hatte, war hilfreich. Im Startup Campus besuchte er den Kurs Business Concept. «Die Ambition, meine Idee umzusetzen, entwickelte sich letztlich in diesem Kurs», erzählt Stefania.
Das war für die Kinder, die die Games programmiert hatten, ein grandioses Erlebnis, zu sehen, wie andere Kinder an ihren Games Freude hatten.
Daniel Stefania
Bis heute begleitet Stefania eine Mentorin im Rahmen der Initiative ZHAW entrepreneurship der School of Engineering. «Wir haben regelmässig Kontakt und vereinbaren immer wieder neue Ziele für mein Startup. Das hilft mir enorm. Als Unternehmerin weiss meine Mentorin, worauf es ankommt.» Auch sonst kreuzt sich sein beruflicher Weg immer wieder mit der ZHAW. An der Nacht der Technik konnte Cool Code Arbeiten seiner Schülerinnen und Schüler ausstellen. Die in den Kursen entwickelten Games wurden hier live von Besuchenden gespielt. «Das war natürlich insbesondere für die Kinder, die die Games programmiert hatten, ein grandioses Erlebnis. Zu sehen, wie andere Kinder an ihren Games Freude haben, das war schön.» Auch eine Einladung zum Alumni-Dinner der Initiative ZHAW entrepreneurship war kürzlich dabei (siehe Box).
Besonders freut sich Stefania, wenn seine Schülerinnen und Schüler mit ihren Programmierkenntnissen bei der Lehrstellensuche punkten können. «In der Regel werden Informatiklehrstellen nur an Jugendliche mit einem Zeugnis der Sekundarstufe A vergeben», erzählt Stefania. Einer von seinen Schülern besuchte die Sekundarstufe B und wollte dennoch eine Informatiklehre beginnen. «Dank dem wöchentlichen Kurs kannte ich den Schüler gut und ich sah, dass er ein Talent fürs Programmieren hat. Er war zudem motiviert und wissensdurstig. Leider erhielt er dennoch mehrere Absagen auf seine Bewerbungen. Dabei war er offensichtlich ein grossartiger Kandidat für eine Informatiklehrstelle.» Am Ende klappte es doch noch. Unter anderem, weil der Schüler die beeindruckenden Programmierprojekte vorweisen konnte, welche er bei Cool Code kreiert hatte. «Das war für mich ein bewegender Moment», schwärmt Stefania.
Solche Erlebnisse zeigen Stefania, wie wertvoll es ist, Kindern schon früh den Zugang zu Coding zu ermöglichen. Ähnlich wie das mit Musikunterricht oder anderen Hobbys auch geschieht. «Die eigenen Begabungen zu entdecken, ist wichtig und nur möglich, wenn man Dinge ausprobieren kann», sagt er. Aktuell ist Cool Code dabei, auf verschiedene Schulen zuzugehen und dort Schnupperkurse anzubieten. «Ich freue mich darauf zu sehen, wie das weitergeht», so Stefania. So oder so findet er, er sei beruflich gerade genau am richtigen Ort. Die Arbeit mit Kindern will er nicht mehr missen. «An diesen jungen Menschen bewundere ich erstens ihre Motivation, ihren Spass am Lernen. Und zweitens ihr Selbstvertrauen. Sie sehen etwas, das sie können wollen, und beginnen einfach, das zu lernen. Ohne zu denken: Oh, das sieht schwierig aus, vielleicht lasse ich es lieber bleiben.»
Inzwischen ist die Online-Lektion mit Marco fast um. Geduldig hat Stefania ihm die zahllosen Funktionen und Möglichkeiten mit Scratch erklärt. Hat Hinweise darauf gegeben, wie das Spiel weiterentwickelt werden könnte, und dabei Marcos Interessen berücksichtigt, hat Ideen aufgenommen und sie direkt mit seinem Schüler umgesetzt. Dieser gewann mit jeder neu programmierten Zeile an Selbstbewusstsein, lachte über die Experimente, die funktionierten, ebenso wie über jene, die beim ersten Versuch scheiterten. Und wie beiläufig lernte Marco überdies Grundlagen der Mathematik kennen, die im Lehrplan seiner fünften Klasse noch nicht stehen, die aber für das Entwickeln eines Games wichtig sind – und sich in diesem Kontext leicht und konkret erklären lassen. Am Ende dieser Stunde hat Marco mit Stefanias Hilfe sein erstes rudimentäres Game programmiert. Die Erwartungen sind damit übertroffen – und die Lust auf mehr geweckt.
Dieser Artikel ist als Erstpublikation im impact der ZHAW 4/2023 erscchienen.