Sich ohne Notendruck und ohne viele Vorschriften an ein Schulprojekt zu wagen, war für mich etwas ganz Neues. Allerdings will gelernt sein mit solchen Freiheiten zurechtzukommen. Anfangs noch etwas schüchtern und perfektionistisch, lernte ich in diesem Jahr, mich auf ein Experiment einzulassen und einmal eine Arbeit abzugeben, die meinen Ansprüchen nicht vollends genügte.
Ebenfalls neu für mich war, dass wir die Dozenten duzen durften und sie uns auf derselben Stufe begegneten. Sie waren keine Lehrer für mich, sie waren Coaches. Ich begegnete ihnen mit grossem Respekt und nahm ihre konstruktive Kritik als Ansporn, mehr zu wagen und mich zu verbessern. Im Vordergrund stand bei ihnen stets der Prozess. Auch wenn das Verhältnis von Quantität und Qualität nicht immer ausgeglichen war, war einem bewusst, dass auch diese für uns misslungenen Arbeiten wichtig waren, um zum Endresultat zu gelangen.
Zudem lernte ich viele tolle Menschen kennen, deren Herz für die Gestaltung schlägt. Natürlich liebten wir alle auch die Freiheiten in der Kunst und machten auch gerne einmal etwas länger Pause, denn der Töggelikasten war zu verlockend.
Im ersten Semester hatten wir alle die gleichen Fächer. Meine Klasse begann mit dem dreiwöchigen Modul Ton und Gips. Wir erhielten die Aufgabe eine Madonna Figur aus Ton nachzubilden. Dabei lernten wir, wie man Silikonformen macht und wie daraus eine Gipsfigur wird. Weitere Module wie Malerei, Tiefdruck, Aktzeichnen, Holz, etc. folgten. Das Metallmodul gefiel mir mitunter am besten. Wir hatten eine tolle Zeit mit unserem Lehrer, alle schweissten, hämmerten, sägten und verformten ihre Bleche. Es war auch dementsprechend laut in der Werkstatt, doch dank Pamir hielt sich unserer Tinnitus nach einer Woche noch in Grenzen. Wir hatten das Thema «Im Wolkenraum», wobei ich mich entschied blecherne Engelsflügel zu formen. Doch auch einem Kunstschaffenden fällt nichts vom Himmel, denn die Woche war anstrengend und reich an Überstunden.
Im zweiten Semester durften wir in den jeweiligen Blockmodulen unseren eigenen Interessen folgen. Die Klassen vermischten sich und man lernte beinahe alle 100 Mitstudenten/innen kennen. Im Frühjahr mussten wir uns dann für die Studienrichtungen anmelden.
In meinem Fall ist dank dem Vorkurs meine Leidenschaft für Grafik gewachsen. So entschied ich mich im Januar zur Bewerbung für das Aufnahmeverfahren zum Graphic Design Studium an der Hochschule für Design und Kunst in Luzern. Dazu musste man ein Portfolio einreichen, das einen kurzen, aber guten Überblick über persönliche Arbeiten im gestalterischen Bereich bietet. Mitte Februar erhielten wir dann die Hausaufgabe: Zum Thema Baum/Bäume/Wald einen dazu passenden Flyer, ein Plakat und eine Bildserie zu gestalten. Bis zur Abgabe blieb uns gerade einmal einen Monat Zeit. Es war eine anstrengende und belastende Zeit, die sich aber meistern lässt, solange man auch gut plant und sich bewusst ist, dass viel Zeit investiert werden muss, inklusive Überstunden und später auch Schlafmangel.
Wird das abgegebene Dossier von der Jury als gut befunden, wird man zu einem Eignungsgespräch eingeladen. Die Studienplätze sind nur sehr beschränkt, dessen sollte man sich stets bewusst sein.
Ich darf mich zu den Glücklichen schätzen, die einen Studienplatz erhalten haben und werde voll motiviert und überglücklich im September das Grafikstudium an der HSLU D&K beginnen.
Wer nicht wagt, gewinnt nicht.