Eine - vom SBAP ausgezeichnete - Masterarbeit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zeigt die Möglichkeiten und Grenzen eines Umwelttrainings am Arbeitsplatz auf.
Mit dem Klimaziel «Netto-Null 2040» hat der Zürcher Stadtrat ein neues Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen festgelegt und möchte damit die bisherigen Massnahmen zur Erreichung des Pariser Klimaabkommens zusätzlich unterstützen. Das Klimaziel der Stadt Zürich legt fest, dass Treibhausgasemissionen auf dem Stadtgebiet bis 2040, für die Stadtverwaltung bis 2035, auf netto null reduziert werden sollen. Zudem soll erstmals auch eine Reduktion sogenannter indirekter Emissionen (Emissionen, welche ausserhalb des Stadtgebietes und des direkten Einflusses der Stadt Zürich liegen) um 30 Prozent gegenüber 1990 pro Person und Jahr reduziert werden. Dazu zählen zum Beispiel Mobilität ausserhalb der Stadtgrenzen (etwa Flugverkehr), Ernährung, Textilien und übriger Konsum.
Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), als städtische Dienstabteilung, leisten mit ihrem Angebot des öffentlichen Verkehrs einen wesentlichen umweltrelevanten Beitrag für die Stadt Zürich. Dabei gründet ein erfolgreiches betriebliches Umweltmanagement nicht nur auf neuen Technologien oder unterstützenden Systemen, sondern hängt zu einem wesentlichen Teil von freiwilligen Initiativen und dem Engagement der Mitarbeitenden ab (Boiral et al. 2015).
Im Rahmen einer Masterarbeit sollte die Wirksamkeit eines Umwelttrainings untersucht werden, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob ein Interventionsprogramm in dieser Form zu einer Steigerung des freiwilligen ökologischen Verhaltens am Arbeitsplatz sowie im privaten Bereich beiträgt und damit die Erreichung des städtischen Netto-null-Klimaziels für 2035 bzw. 2040 unterstützen kann.
Im beruflichen Kontext nimmt umweltfreundliches Verhalten unterschiedliche Formen an und teilt sich in freiwillige und verordnete Tätigkeiten auf. Im Fokus der Masterarbeit stand die Förderung freiwilliger ökologischer Verhaltensweisen. Hierbei sind Arbeiten gemeint, die formal über die entlohnte Tätigkeit hinausgehen und sich positiv auf die Umwelt auswirken. Dieses Konstrukt wird in der Forschungsliteratur als «Organizational Citizenship Behavior for the Environment» (OCBE) bezeichnet (Boiral & Paillé 2012). Es beinhaltet Tätigkeiten in den Dimensionen Öko-Initiativen (beispielsweise Ich führe Umweltaktionen durch, die positiv zum Image meiner Organisation beitragen), öko-bürgerliches Engagement (etwa Ich halte mich über die Umweltinitiativen meines Unternehmens auf dem Laufenden) und Öko-Hilfe (zum Beispiel Ich ermutige meine Kolleg:innen zu einem umweltbewussten Verhalten).
In der Umweltpsychologie haben sich unterschiedliche Theorien und Modelle etabliert, welche die Entstehung von umweltfreundlichen Verhaltensweisen zu erklären versuchen. Theoretischer Rahmen der Masterarbeit bildete das Phasenmodell der selbstregulierten Verhaltensänderung nach Bamberg (2013). Dieses Handlungsmodell vereint verschiedene Modelle in einem Erklärungsansatz und wurde zudem von Ohnmacht et al. (2017) um passende Interventionen pro Phase ergänzt.
Das konzipierte Umwelttraining bestand aus fünf Modulen à 90 Minuten und erstreckte sich gesamthaft über zehn Wochen. So fand alle zwei Wochen ein Modul zu einem bestimmten Umweltthema statt; 1) ökologisches Verhalten am Arbeitsplatz, 2) problemorientierte Bewältigungsstrategien, 3) Konsum & Ressourcenverbrauch, 4) Ernährung, 5) Mobilität. Jedes Modul beinhaltete die gleichen fünf Bausteine (Interventionen), wie nachfolgende Abbildung beispielhaft am Modul 4 (Ernährung) aufführt. Diese waren einerseits von der Übersicht verhaltensändernder Techniken von Mosler und Tobias (2007) inspiriert und andererseits auf die pro Veränderungsphase empfohlenen Interventionen aus dem weiterentwickelten Phasenmodell gestützt.
Zwischen den Modulen versuchten die Teilnehmenden ihre selbstgesetzten Ziele (passend zum besuchten Modul), mittels Wenn-dann-Plänen zu erreichen und gleichzeitig über eine digitale Plattform (Weffect) weitere umgesetzte umweltfreundliche Handlungen zu teilen. Damit zeigten sie auf, wie sie sich konkret für die Umwelt einsetzen, und konnten andere dazu inspirieren, es ihnen gleichzutun.
Für die Durchführung der Studie teilten sich die Teilnehmenden, durch eine Anmeldung zu einem von zwei Durchgängen, selbstständig entweder in die Interventions- oder die Wartekontrollgruppe ein. Es wurden drei Messzeitpunkte durchgeführt: vor dem Start des Trainings der Interventionsgruppe (1), direkt nach dem Training der Interventionsgruppe bzw. vor dem Start der Wartekontrollgruppe (2) sowie zehn Wochen nach dem Training der Interventionsgruppe bzw. direkt nach dem Training der Wartekontrollgruppe (3). Der dritte Messzeitpunkt sollte aufzeigen, wie nachhaltig sich das Training auf die Interventionsgruppe ausgewirkt hat.
Gemessen wurden sowohl die Veränderung innerhalb als auch der Unterschied zwischen den Gruppen. Total nahmen 34 Büromitarbeitende teil, gleichmässig aufgeteilt in die Interventions- und die Wartekontrollgruppe. Neben Veränderungen im OCBE wurden konkrete selbstberichtete Verhaltensänderungen in den Bereichen Anwendung problemorientierter Bewältigungsstrategien, nachhaltiger Konsum (beruflich/privat), nachhaltige Ernährung, umweltschonende Mobilität und im Umweltbewusstsein gemessen.
Das Umwelttraining hat zu positiven Entwicklungen bei Verhaltensweisen in all den gemessenen Bereichen beigetragen, wobei nur für das OCBE, die problemorientierten Bewältigungsstrategien und den nachhaltigen Konsum signifikante Veränderungen nachgewiesen werden konnten. Ein nachhaltiger Effekt (zehn Wochen nach dem Training) konnte nur beim OCBE erreicht werden. Zum Umweltbewusstsein war aufgrund fehlender Daten keine Aussage möglich.
Ein Umwelttraining ist eine von verschiedenen Interventionen zur Förderung freiwilliger ökologischer Verhaltensweisen am Arbeitsplatz. Das in dieser Arbeit evaluierte Format hatte zudem den Anspruch, umweltfreundliches Verhalten in unterschiedlichen Bereichen und bewusst auch ausserhalb des beruflichen Kontextes anzusprechen.
Die Ergebnisse zeigen, dass mit Umwelttrainings alleine nur wenig Verhaltensänderung bewirkt werden kann. Die häufig fehlende nachhaltige Wirkung legt zudem nahe, dass weitere Interventionen zur Aufrechterhaltung der gewünschten Verhaltensweisen notwendig sind. Zur Erreichung des städtischen Klimaziels «Netto-Null 2040» kommen ganz verschiedene Massnahmen zum Einsatz. Ein Umwelttraining würde als partizipativer Ansatz alle Mitarbeitenden in diese Zielerreichung einbeziehen. Ob es sich jedoch lohnt, ein solches Training zu entwickeln, hängt vor allem davon ab, welche konkreten Umweltziele sich das Unternehmen gesetzt hat und ob die Förderung freiwilliger ökologischer Verhaltensweisen diese Zielerreichung unterstützen kann.
Riccardo Meier arbeitete neben seinem Psychologiestudium in der öffentlichen Verwaltung und setzte sich im Rahmen der Unternehmens- und Kulturentwicklung mit Themen der Effizienzsteigerung, New Work sowie des Prozess- und Umweltmanagements auseinander. Er schreibt heute als freiberuflicher Autor im Bereich Gesundheit, Ernährung und Umwelt.
Der SBAP verleiht den Preis für Masterarbeiten für herausragende Arbeiten im konsekutiven Masterstudiengang am Departement Angewandte Psychologie.
Pro Vertiefungsrichtung (A+O, KlinP, E+P) wird an der Diplomfeier jährlich je ein Preis vergeben. Die drei gleichwertigen Preise gehen an innovative angewandt-psychologische Masterarbeiten, die Neues explorieren und noch wenig bearbeitete Fragestellungen der Angewandten Psychologie thematisieren. Die ausgezeichneten Arbeiten werden im punktum. von den Autor:innen vorgestellt.
Der Schweizerische Berufsverband für Angewandte Psychologie gibt Psychologinnen und Psychologen in diesem Land eine starke Stimme. Sie profitieren von den Aktivitäten für eine gute Bildung, eine starke Interessensvertretung in der Politik und für ein Qualitätslabel, welches für seriöse, wissenschaftlich fundierte und praktisch erprobte psychologische Leistungen steht.
Nächste Anlässe beim SBAP
10.09.2024: Online-Fortbildung – ChatGPT und ähnliche Tools im Arbeitsalltag
25.09.2024: SBAP-Stamm Zürich
28.10.2024: Fortbildung – Mentale Gesundheit im Arbeitsleben
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