Durch die Dolmetscherausbildung konnte ich später nicht nur meine Sprachkompetenzen auf höchstes Niveau bringen und in diese spannende Welt der Sprachmittlung mithilfe der Dolmetscher- und Übersetzervereinigung (DÜV) einsteigen, sondern auch mein Verständnis dafür, was Kommunikation ist, enorm vertiefen. Dies hat mich geprägt und dazu motiviert, meinen grossen Traum, Schriftsteller zu werden, wieder in Angriff zu nehmen. Und das ist, was ich jetzt versuche.
Stellt euch einen kleinen, karg möblierten Raum mit einem Tisch in der Mitte vor. Auf der einen Seite steht ein Bildschirm, hinter dem ein Polizist in Zivilkleidung etwas eintippt. Auf der anderen, ein Zeuge, der völlig aufgelöst und zerfahren keinen ganzen Satz hinbekommt und in alle Richtungen schaut, nur nicht auf den Mann ihm gegenüber. Ausserdem sitzt daneben eine Person, die dafür verantwortlich ist, alle Aussagen bei dieser Befragung in einem Fall von, sagen wir mal, Drohung und Körperverletzung wortgetreu und vollständig zu verdolmetschen. Was protokolliert wird, gilt als Aussage und kann somit schwere Folgen nach sich ziehen.
Das Setting mag variieren, etwa eine Konferenz mit grossem Publikum, ein Arztbesuch oder ein kleines konviviales Geschäftstreffen, aber eins ist allen Dolmetscharten gemeinsam: Man muss zuallererst aktiv zuhören und alles restlos verstehen. Genauso wie bei einer psychotherapeutischen Anamnese oder einem journalistischen Interview geht es nicht nur um die Wortwahl der Sprechenden, sondern auch um ihre nonverbale Sprache (Betonung, Blickkontakt usw.), die Struktur des Diskurses (Ist er zusammenhängend, wird bewusst etwas vorgemacht?), die aufgrund der Aufregung begangenen Sprachfehler und -Kurzschlüsse. Erst nach dieser gründlichen Analyse, die man mit Übung im Sekundentakt durchführen kann, ist der Dolmetscher bzw. die Dolmetscherin in der Lage, die notwendigen Entscheidungen zur Sicherstellung einer guten Leistung zu treffen. Denn es werden Inhalte kommuniziert, nicht nur Worte. Das unterscheidet nach wie vor ein maschinelles Übersetzungstool von einer Person.
Hierbei handelt es sich um Fertigkeiten, die nicht nur beim Dolmetschen von Nutzen sind. Missverständnisse und Widersprüche in einer Rede schnell zu erfassen, ist in der Kommunikation immer von Vorteil. Ebenso die Fähigkeit, die Argumentationsweise und Gedankengänge der Gesprächspartner sowie allfällige logische Ungereimtheiten einer Aussage zu erkennen.
Ein solides Studium im Konferenzdolmetschen, wie es die ZHAW anbietet, ist die beste Möglichkeit, sich u.a. diese überall einsetzbaren Fertigkeiten anzueignen.
Das genannte Rüstzeug ist neben ausgiebigem Lesen eine ausgezeichnete Basis, um narrative Stimmen und konsistente Gestalten mit glaubhaftem Detailreichtum aufbauen zu können. Das Dolmetschen hat mir ausserdem beigebracht, wie sich mündliche und Schriftsprache voneinander unterscheiden, wie eine ganze Welt in einem Wort enthalten sein kann und dass manchmal das Schweigen mehr sagt als ausschweifende Redegewandtheit. Dem Dolmetscher geht es in Fleisch und Blut über, richtig zuzuhören, um zu erkennen, wie und was sowohl konkret als auch gesamtheitlich gesagt wird. Das ist für einen angehenden Schriftsteller von grossem Vorteil.
Zu guter Letzt habe ich durch diese Tätigkeit Einblick in verschiedenste Welten gewonnen, von Polizei und Gericht über die Automobilindustrie bis zu den sozialen Diensten, was wiederum meinen Blick auf die Gesellschaft, den Menschen und das Leben nach wie vor stark prägt. Die vielen oft ungehörten Stimmen, die man durch die Arbeit als Dolmetscher kennenlernt, haben mir darüber hinaus den Mut gegeben, meine andere Berufung – das Schreiben – wieder aufzunehmen, um auch diese ungehörten Stimmen auf meine eigene Art und Weise zu würdigen. Ich verdanke dem Dolmetscherberuf einen äusserst bereichernden Erfahrungsschatz, der mir jetzt u. a. weiterhilft, als Schriftsteller voranzukommen.
Agentur DÜV  – die einzige Dolmetscher- und Übersetzeragentur mit angeschlossenem Berufsverband. Ihre 230 Mitglieder sind allesamt Masterabsolventen der ZHAW beziehungsweise einer anderen anerkannten Universität oder Ausbildungsstätte. Die Sprachprofis sind in der Schweiz wohnhaft, kennen die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Schweiz sowie die lokalen Sprachfeinheiten. Sie bezahlen hier ihre Steuern und unterstützen die einheimische Wirtschaft.
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