Ansichten eines Glückscoaches

Glücklich zu sein ist keine Selbstverständlichkeit. Amadeo Disasi hat dies bereits sehr früh erkannt. Seine positive Energie setzt er heute ein, um Glück auch anderen Menschen zu ermöglichen. Sein Rezept verrät er hier.

Ich habe mir schon früh angewöhnt, glücklich zu sein. Vielleicht hat das auch mit meiner familiären Situation zu tun. Meine Eltern trennten sich früh, mein Vater war nicht immer da, es gab Enttäuschungen. Trotzdem habe ich mich bemüht, positiv zu bleiben und das Gute zu sehen. Ich kann mich sehr gut an eine Aufgabe in der Schule erinnern: Jeder sollte mitteilen, wie er sich gerade fühlte. Alle hatten etwas zu beklagen. Ich war ganz am Schluss an der Reihe und es war mir schon fast etwas peinlich zu sagen: «Eigentlich bin ich ganz glücklich.» Es war irgendwie speziell, denn ich hatte immer irgendwelche Träume, die ich erreichen wollte. Und es hat immer geklappt. Das wurde mir schon früh bewusst.

Nach dem Studium habe ich zurückgeblickt und gedacht: Jetzt habe ich 16 Jahre lang Schulen besucht, aber nirgends wurde vermittelt, wie man ein glückliches und ausgeglichenes Leben führt. Dabei hatten mich die grossen Fragen schon immer interessiert: Wer bin ich, was kann ich, was sind meine Bedürfnisse? Aufgrund dieser Erkenntnis habe ich einfach mal begonnen: Ich habe Menschen zusammengebracht, Workshops organisiert. Mein Beweggrund war ganz einfach, die Kunst des guten Lebens zu vermitteln. Mir machte die Arbeit Spass und schnell zeigte sich eine Nachfrage. So hat sich das mit dem Coaching ergeben. Kein Businessplan, aber viel Intuition.

Es ist ein Luxus, dass wir uns um unser individuelles Glück kümmern können. Wir müssen uns keine Überlebensfragen stellen. Ein Patentrezept wie «in drei Schritten zum Glück» gibt es aber nicht. In erster Linie heisst es, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. In unserer stark ausgeprägten Leistungsgesellschaft fühlen wir die eigenen Bedürfnisse oft gar nicht mehr, wir drücken sie einfach weg. Man muss sich ehrlich fragen: Wo stehe ich im Leben und was ist mir wirklich wichtig? Und wir müssen unsere Denkprozesse verstehen. So wie ich über mich und über die Welt denke, so geschieht es mir auch. Es zeigt sich, dass viele Menschen eine sehr negative und abwertende Sicht auf sich selber haben und ihr Glück damit sabotieren. Als Erwachsene haben wir immer die Wahl, entweder in destruktiven Denkmustern gefangen zu sein oder neue, förderliche Denkweisen zu kultivieren. Man soll zudem Ziele definieren: Wie will ich als Mensch sein, was ist meine persönliche Vision? Und ich muss mir dabei bewusst sein: Warum will ich da hin?

Hat man das festgelegt, ist eine Strategie nötig. Denn wenn man sich verändert, können auch negative Gefühle aufkommen, die einen in die Komfortzone zurückdrängen wollen. Diesen muss man richtig begegnen. Meine Arbeit beim Coaching ist es, diese mentalen Vorgänge zu verstehen. Es sind unterbewusste Prozesse, die seit unserer Kindheit und durch die Gesellschaft tief eingeprägt sind und uns steuern. Diese gilt es aufzudecken und zu verändern, das ist der Anfang.

Ich bin ein humorvoller Mensch und deshalb überzeugt, dass man eine solche Veränderung mit einer gewissen Lockerheit und Leichtigkeit angehen kann. Es muss nicht harte Arbeit bedeuten. Ich bin lösungsorientiert und richte den Blick auf das Positive, nicht umgekehrt. Das aktiviert und stärkt die eigenen Ressourcen. Oft gilt es ja schon fast als arrogant, wenn man über seine eigenen Stärken redet. Viele tun sich sehr schwer damit. Man soll aber auch mal innehalten, sich auf die eigenen Stärken besinnen und sich auf die Schulter klopfen. Bei Coachings geht es sehr viel um Selbstliebe.

Der Fussball hat mir sicher auch geholfen. Bis vor vier Jahren habe ich leidenschaftlich gespielt, es fast bis zum Profi gebracht. Als ich bemerken musste, dass es nicht ganz reicht, habe ich neue Prioritäten gesetzt. Ich konnte viel aus dieser Zeit mitnehmen. Ich habe meine Mitspieler auf dem Platz organisiert, immer viel geredet, auch lautstark. Meine Bekannten haben mich auf dem Feld jeweils kaum wiedererkannt. Es hiess immer, ich sei so ruhig und ausgeglichen. Auf dem Platz kam mein ganzes Temperament heraus.

Mit Niederlagen auf dem Fussballfeld habe ich mich sehr schwer getan. Meine Mutter meinte immer, ich müsse das lernen. Auch heute ist es nicht immer einfach, wenn Kollegen einfach mal etwas «tschütteln» und Bier trinken wollen. Mein Ehrgeiz passt da nicht immer rein.

Rückschläge gibts natürlich auch bei meiner Arbeit. Ich habe auch schon falsche Entscheidungen getroffen oder gedacht: Diese Arbeit war jetzt für die Katz. Dann gilt es, eine Fehlerkultur zu leben und nicht zu hadern. Damit kann ich, anders als beim Fussball, gut umgehen. Ich würde heute vielleicht auch ein anderes Studium wählen. Oft werde ich gefragt, warum ich nicht Psychologie studiert hätte. Auch das ist für mich kein Grund zu hadern. Damals hat es gestimmt. Und heute ist das irrelevant. Ich hatte zudem das Privileg, während des Bachelors ein Jahr lang in Kolumbien zu studieren. Das hat mir so viel gegeben. Das möchte ich nicht missen.

Dieser Beitrag ist als Erstpublikation im Magazin INLINE Mai 2020 erschienen.

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