Begehrte Popmusiker mit FH-Ausbildung

Die Studienrichtung Popmusik ist in der FH-Landschaft noch jung. Autodidakten sind in der Popszene noch immer häufig. Und doch sind ausgebildete Profis gerade als Bandmusiker essenziell.

Es gibt jene Ausnahmen. Ed Sheeran zum Beispiel ist einer der wenigen Künstler, die einfach nur mit der Gitarre auf einer Bühne stehen und ein Massenpublikum verzaubern können. Oder Katie Melua. Die meisten Solokünstler aber können oder wollen auf eine gute Band nicht verzichten. Auf Musiker, die es verstehen, im Kollektiv die gesamte Performance musikalisch aufzuwerten. Bandmusiker stehen nicht im Rampenlicht oder meiden es gar bewusst, und doch sind sie unersetzlich. Und was die hiesige Szene betrifft, sind das nicht selten Musiker, die auf eine FH-Ausbildung zurückgreifen können, in der sie in verschiedener Hinsicht geschliffen wurden.

Gutes Beispiel hierfür ist der Zürcher Sänger und Autodidakt Faber, in dessen Band Topmusiker mitwirken, die auch als eigenständige Künstler beachtliche Karrieren verfolgen. «Faber kokettiert mit seinem Auto­didaktentum, das ist Teil seiner Künstlerpersönlichkeit», erklärt Immanuel Brockhaus, Dozent und Forscher an der Hochschule der Künste Bern und Leiter des MAS «Pop & Rock».  «Gleichzei­tig umgibt er sich, wie etwa auch Sophie Hunger,  mit ausgebildeten Multiinstrumentalisten, die flexibel sind, ihr Instrument gut beherrschen und sich sehr gut in eine Klangumgebung einfügen können.»  
Solche Musiker sind mitunter Silvan Koch oder Tillmann Ostendarp, die den Sound von Faber massgeblich mitprägen. Ostendarp hat an der Hochschule Luzern (Jazz) Posaune studiert und sich neben dem Studium mit Schlagzeug, diversen elektronischen Musikgeräten und mit Musikproduktion auseinandergesetzt. Er sieht sich als «Musiker in einem Geflecht», wie er es nennt. Ob als Bandmusiker oder in einem anderen Projekt. «Ich sehe meine Aufgabe darin, zum Kern des Projekts möglichst viel beizutragen, ohne mich aufzudrängen. Ein Projekt, in dem ich nur Ausführender wäre, interessiert mich nicht.» In seinem Musikstudium habe er «in erster Linie viel darüber gelernt, was ich nicht will.» Zum Beispiel sei ihm dadurch aufgegangen, dass er nicht dazu geboren ist, ein hochtrainierter Instrumentalist zu werden. Sein Studium hat ihm den Weg zu dem gezeigt, der er heute ist.  

Jazzer im Pop-Business

Tillmann Ostendarp ist damit einer von nicht wenigen Absolventen von Jazz-Hochschulen, die in der Popkultur unterwegs sind. Diese würden oftmals ihren institutionellen Background verstecken, so Brockhaus. «Denn Popmusik gilt ja noch immer als nicht institutionalisierbar und nicht lernbar, was ja nicht stimmt.» Er differenziert wie folgt: «Beim Jazz geht es um Improvisation, vokale Fähigkeiten, Flexibilität, während beim Pop weniger das Handwerk, sondern mehr Selbstfindung, Authentizität, die Auseinandersetzung mit Ikonen, Sounds, Performance und das Einordnen in Referenzmodelle im Vordergrund stehen.» Es zählt eher die Kunstfigur als der musikalische Handwerker.

Pop ist denn auch eine junge Studienrichtung an Hochschulen. Heiko Freund, der den Bereich Pop an der Zürcher Hochschule der Künste leitet, bestätigt: «Wenn wir Musiker für das Studium aufnehmen, dann steht nicht das technische Können im Vordergrund, sondern die künstlerische Aussage, ihre Inspiration.» Das Studium sei dann wie ein «Brandbeschleuniger», zitiert Freund die Popakademie Mannheim. «Es geht deutlich schneller voran mit einer Karriere, als wenn man im Gegensatz dazu als Autodidakt alles alleine erarbeiten würde.» Einerseits durch das wichtige Netzwerk in der Szene, wenn man während des fünfjährigen Studiums mit neun Jahrgängen in Kontakt komme. Auf der fachlichen Ebene betont Freund das Gesamtpaket, welches Musiker in einem Pop-Studium erwerben: «Wir geben ihnen einen breiten Rucksack mit, handwerklich, kreativ und in der Pädagogik. Bei der künstlerischen Aussage geben wir den Raum und lassen die Studierenden miteinander arbeiten, um ihren Weg zu finden.»

Ganz ähnlich klingt es, wenn Hannah Bissegger von ihrer Studienzeit an der zHdK spricht, wo sie Popmusik studiert hat: «Ich habe mich erst in dieser Zeit musikalisch so richtig gefunden.» Nebst Privatunterricht und Workshops habe vor allem der Austausch mit den anderen Studierenden, «das gemeinsame Musizieren und gegenseitige Pushen» ihr extrem viel gebracht. «Mich hat das Studium musikalisch da hingebracht, wo ich jetzt bin und auch sein will.» Bissegger verfolgt eine typische Laufbahn als Popkünstlerin. Zum einen mit ihrer Band Ikan Hyu (zusammen mit Anisa Djojoatmodjo), die für sie an erster Stelle steht und die sie pusht. Doch mag sie auch die Abwechslung mit anderen Projekten.

Jeden Monat Anfragen für FH-Popmusiker

Dass Bühnenkünstler auf ausgebildete Musiker zurückgreifen, hat für Heiko Freund seine Logik. «Wenn es Leute gibt, die beides in sich vereinen, also eigenständiges Künstlertum wie auch die Ausbildung, um für andere Leute spielen zu können und mitproduzieren zu können, kann man schlecht an ihnen vorbeigehen.» Bissegger meint dazu: «Es kann sehr inspirierend sein, wenn theoretische und intuitive Herangehensweisen aufeinandertreffen.» Wobei sie sich selber ebenfalls teils als Autodidaktin sieht, da sie auf der Bühne auch Instrumente spielt, auf denen sie nie unterrichtet wurde.

Wie sehr sich ihr Studium lohnt und sich die Abteilung Pop seit der Gründung 2006 etabliert hat, kriegt Heiko Freund mittlerweile mit. «Ich habe monatlich Anfragen von Produzenten, die nach Absolventen fragen, weil sie wissen, dass wir die Talente haben, die breit aufgestellt sind und das Paket bieten, welches es für professionelle Produktionen benötigt.»

Dieser Artikel erschien als Erstpublikation im Magazin INLINE Februar 2020

 

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