Die Zukunftsmacher

Redaktion FH SCHWEIZ
Redaktion | FH SCHWEIZ
  • 02.12.2019
  • 7 min
Das Wort Startup ist allgegenwärtig. Manche blicken mit Bewunderung auf die Menschen, die ihr eigenes Ding starten. Für andere ist die Startup-Welt sehr weit weg. Eine Annäherung durch die Fachhochschul-Brille.

Typologie

Ein Startup ist eine neu gegründete Firma, und die Personen, die hinter dieser Firma stehen, sind die Gründer. So einfach könnte es sein – so einfach ist es aber nicht. Nicht jede Neugründung ist ein Startup. Von den 43000 Firmen, die 2018 schweizweit gegründet worden sind, ist die übergrosse Mehrheit kein Startup. Der «Swiss Startup Radar 2018/2019» spricht von 300 Firmen, die man als Startups bezeichnen sollte, das sind weniger als ein Prozent. Was macht eine neue Firma zu einem Startup? – Ein Startup verfolgt in der Regel eine grosse Idee, und diese Idee fusst auf einer wissenschafts- oder technologiebasierten Innovation. Ein Startup will mit dieser Idee einen bestehenden Markt erobern oder gleich einen neuen Markt schaffen. Die Startup-Szene wird gemeinhin mit der Internet- oder Mobilewelt in Verbindung gebracht, viele Startups drängen zudem in Branchen wie Life Sciences, Finanzdienstleistungen oder Industrie. Die Gründer von Startups sind oft hochqualifiziert, sie stehen in der Anfangsphase ihrer Laufbahn und möchten typischerweise international durchstarten. Sie gehen Risiken ein und erkunden neue Pfade. In der Startup-Welt herrscht eine pulsierende Aufbruchstimmung mit hohen Ambitionen. Die «Startupper» möchten die Zukunft im grossen Massstab besser, einfacher, spannender machen. Aber eben: Das ist nur eine der möglichen Startup-Definitionen. Man darf genauso die neu gegründete Praxis für Physiotherapie oder Agentur für Design als Startup verstehen.

Geld

Die grosse Idee ist da, sie ist neu und sie rockt. Aber wie und wo beginnt man? Diese Frage beschäftigt jedes Startup, und meistens geht es dabei um Geld. Wer nichts oder wenig auf der hohen Kante hat, muss Geld organisieren. Banken kommen kaum in Frage, da geeignete Sicherheiten fehlen. Üblicherweise bemüht man deshalb Familie und Freunde. Auch «Verrückte» greifen unter die Arme, mithin Personen, die an das Potenzial der Idee glauben und ihr Geld trotz Risiko in das Jungunternehmen investieren. Seit vielen Jahren springen zusätzlich staatliche Institutionen, Stiftungen, Organisationen und Firmen ein und sprechen grosszügige Fördermittel. Gemäss dem «Swiss Venture Capitalist Report 2019» haben Fonds, Grossfirmen und Private 2018 mehr als 1,2 Milliarden Franken in Schweizer Startups angelegt. Damit ging erstmals mehr als eine Milliarde Franken binnen eines Jahres an technologiegetriebene Jungunternehmen. Gestiegen ist ebenso die Zahl der Finanzierungsrunden, das heisst die Gelegenheiten für Startups, um an Kapital von Investoren zu kommen. 2018 gab es 230 solcher Runden.

Hebammendienst

Die vife Informatikerin oder der smarte Biotechnologe macht noch keine Startup-Persönlichkeit aus. Starthilfe leisten oft Mentoren und Business-Angels. Sie stehen den Gründern mit Wissen, Erfahrung und Kontakten zur Seite. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Inkubatoren. Das sind Einrichtungen, die sich auf die Unterstützung von Startups in der Anfangsphase konzentrieren. Ein Inkubator bietet fachliche Beratung, Zugang zu Netzwerken oder Büroräumlichkeiten samt Infrastruktur. Die Gründerin kann sich dort mit anderen Gründern austauschen und vernetzt sich. Eine Studie der FHNW zu Inkubatoren aus dem Jahr 2014 macht denn auch deutlich, dass just diese Vernetzung sowie der Austausch mit anderen Gründern und mit Führungspersonen von Firmen sehr geschätzt wird. Ist die Anfangsphase vorüber, werden die Akzeleratoren interessant. Hier heisst das Motto: Beschleunigung! Das Wachstum muss beschleunigt werden, genauso Prozesse und die interne Entwicklung. Die Akzeleratoren gleichen einem Trainingscamp, das in kurzer Zeit passgenaues Praxiswissen sowie konkrete Hilfeleistungen vermittelt.

Fachhochschulen

An der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) findet einmal jährlich eine Informationsveranstaltung für Studierende zum Thema «Jungunternehmer in der Startup-Phase» statt, und drei- bis viermal im Jahr werden Startups aus der Region eingeladen, um Ideen auszutauschen und sich untereinander zu vernetzen. Die HSR bietet zudem Kurse zu Unternehmensgründung, Businessplan-Erstellung und Finanzierung an. An der Fachhochschule Graubünden angesiedelt ist die Anlaufstelle für Bündner Jungunternehmen, Startups und KMU, und zwar seit mehr als zehn Jahren (kmuzentrum.ch). Die Stelle wird von der FH und vom Amt für Wirtschaft und Tourismus Graubünden getragen. Sie versteht sich als Bindeglied zwischen FH, Kanton und regionaler Wirtschaft. Das Angebot reicht von praxisnahem Wissenstransfer über Expertenvermittlung bis zu Patentrecherchen.

Das sind zwei Beispiele, wie FHs das Unternehmertum stützen. Die Liste liesse sich beliebig erweitern, die FHs tun einiges, um hiesiges Jungunternehmertum zu stärken. Davon ist auch Stefan Philippi überzeugt. Er leitet die Geschäftsstelle Swiss Startup und Swiss Innovation Challenge an der FHNW. «Unterstützung ist an den Fachhochschulen da. Sie bieten ein Angebot vielfältigster Natur. Dennoch besteht das Potenzial, diese Unterstützung weiter voranzutreiben. Auch eine Zusammenarbeit unter den Fachhochschulen wäre eine Möglichkeit, mehr für Schweizer Startups im FH-Umfeld zu tun.»

Studierende

Der aktuelle GUESSS-Bericht für die Schweiz zeigt: Etwa 2 Prozent der Studierenden an Schweizer Hochschulen möchten direkt nach dem Studium in der eigenen Firma arbeiten (siehe Balkendiagramm oben). 20 Prozent sehen sich erst fünf Jahre später als Unternehmerin oder Unternehmer. Und: Einzig ein Viertel der Studierenden hat mindestens einen Kurs über Unternehmertum während der Studienzeit belegt. «Erst Angestellter, dann Unternehmer», das ist ein typisches Karrieremuster der Schweizer Studierenden. Wie könnte man das ändern, auch an FHs? «Schweizer Fachhochschulen sollen inspirieren», meint Pascal O. Stocker, Leiter der Fachstelle Entrepreneurship an der HWZ. Inspiration entfaltet sich dort, wo ein entsprechendes Klima herrscht. Und gerade dieses Hochschulklima schätzen die Studierenden gemäss GUESSS-Bericht als eher wenig förderlich für das Unternehmertum ein. Ausnahmen bilden die Fachhochschule Graubünden, die HWZ und die Hochschule für Wirtschaft Wallis (HES-SO). Sie schneiden bei diesem Aspekt aus Sicht ihrer Studierenden gut ab. «Die Fachhochschulen müssen die Studierenden dazu anhalten, sich mit ihrer Persönlichkeit auseinanderzusetzen, und das Handwerk vermitteln, wie man etwas aufbaut», betont Stocker. Im Raum stehen ebenso grundsätzliche Fragen: Finden FH-Studierende Zeit und Anregung, um über Geschäftsideen nachzudenken? Spielt der Umgang mit Risiko, Unsicherheit und Scheitern eine Rolle im Lehrplan? Wie viel Beachtung wird dem Netzwerken geschenkt?

Alumni

Sie sind Führungskräfte, Fachleute, Gründer, CEOs und anderes mehr – die Ehemaligen von FHs. Mit ihrem Know-how, ihrer Erfahrung und ihren Kontakten können sie Jungunternehmen im FH-Umfeld und FH-Studierende mit Businessideen spezifisch unterstützen. Davon ist Rico Baldinger überzeugt. Er ist Direktor der Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HES-SO) und Mitautor der GUESSS-Studie. Er sagt: «Alumni als Coaches, Mentoren, Netzwerker, Business-Angels: Alles ist vorstellbar.» Für Stefan Philippi von der FHNW könnten Business-Angels-Netzwerke aus Alumni gezielt Startup-Aktivitäten aus den FHs fördern. Alumni spielen bei der Swiss Startup Challenge der FHNW bereits heute eine wichtige Rolle. «Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Alumni als Coaches gemacht», sagt er. «Es entstehen spezielle Verbindungen zwischen Alumni und Studierenden.» Toni Schmid, Geschäftsführer von FH SCHWEIZ, bestätigt diese Erfahrung: «Die FH-Studierenden profitieren direkt vom Praxiswissen ihrer Vorgänger, und Alumni öffnen Türen. Wir als Dachverband fördern diese Idee. Unser FH-Mentoring-Programm geht genau in diese Richtung. Mit der Alumni HWZ entwickeln wir ein Pilotprojekt dazu. Wir bieten die Infrastruktur, um eine nationale und nicht nur regionale Vernetzung zu schaffen. Das Ziel lautet: Alle FH-Studierenden profitieren von unserem FH-Mentoring, ungeachtet der Region, des Fachbereichs, der Studienstufe.»

Dieser Beitrag erschien als Erstpublikation im Magazin INLINE November 2019.

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