«Es ist egal, was andere verdienen, solange ich selbst zufrieden bin»

Die Lohnrunde 2025 fiel bescheiden aus, wenige erwarten im Moment einen Aufschwung. Bricht unser Glück ein? Mathias Binswanger, Ökonom und Glücksforscher an der Fachhochschule Nordwestschweiz, zeigt sich im Interview gelassen, warnt aber zugleich.


Bekomme ich genug, oder kommt der Arbeitskollege besser weg? Geht es um unseren Lohn, beginnen die Vergleiche, es kommen Emotionen ins Spiel. Dabei lernen wir als Kinder bereits: Geld macht nicht glücklich. Wirklich? Ökonom und Glücksforscher Mathias Binswanger differenziert: «Geld als Glücksfaktor ist sehr wichtig, wenn man keines oder wenig davon hat. Je mehr man hat, desto weniger wichtig wird zusätzliches.» Das Privileg der Wohlhabenden.

Und zu den Privilegierten gehören in der Schweiz die meisten. Ob wir so empfinden, hängt auch an uns: «Menschen denken relativ und nicht absolut», so der FH-Dozent. Und absolut gesehen können wir nicht klagen. Denn: «Für die meisten Menschen ist das Einkommen in der Schweiz nicht der Engpass zum Glück.»

Zu diesem Wohlstand trägt auch der Bildungsgrad seinen Teil bei, wie auch die FH-Lohnstudie zeigt, die alle zwei Jahre durchgeführt wird (siehe ganz unten). Und doch haben wir in den letzten Jahren das Gefühl, zu verlieren. Wie wirkt sich das aus?

 

Herr Binswanger, mit Sicht auf das Weltgeschehen ist es vielen gerade etwas mulmig. Wie bleiben wir optimistisch?

Mathias Binswanger: Wir haben in der Schweiz allen Grund, optimistisch zu bleiben. In den letzten Jahrzehnten hätte es uns bereits aus unterschiedlichsten Gründen mulmig werden können. Energiekrise, Finanzkrise, etliche Kriege, und doch war unser Wohlstand in der Schweiz nie betroffen.

 

Was sich nun aber auf der politischen Weltbühne, unter anderem mit Trumps Handelskriegen, abspielt, ist schon eine andere Schuhgrösse.

Es waren schon viele tatsächliche oder angebliche Spinner an der Macht und es gab immer wieder grosse Konflikte, die teils noch bedrohlicher waren. Blickt man gar einige Jahrhunderte zurück, ist der Krisenzustand sogar eher der Normalfall. Ich empfinde die heutigen Entwicklungen daher nicht als speziell gefährlich. Auch, weil am Schluss der Rechtsstaat in Ländern wie den USA doch funktioniert.

 

Danke für die Aufmunterung. Ein Blick auf unsere Löhne zeigt aber: Die Kaufkraft hat die letzten Jahre gelitten, und durch die Bilateralen gerät der Lohnschutz ebenfalls unter Druck.

Wir leben nach wie vor sehr gut. Aber das liegt auch daran, dass wir relativ hohe Löhne haben. Der Schutz unserer hohen Löhne ist ein wichtiger Faktor für unseren Wohlstand und damit für unsere Sicherheit und unser Glück. Dazu haben wir einen vergleichsweise breiten Mittelstand. Diesen müssen wir schützen und bewahren, ohne ihn durch staatliche Eingriffe wie Mindestlöhne erzwingen zu wollen.

Hast du an einer Fachhochschule studiert? Mach den Check, ob dein Lohn etwa stimmt und nimm an der FH-Lohnstudie 2025 teil. Hier geht es direkt zur Studie.

Bildung ist bei uns ebenfalls ein wichtiger Faktor fĂĽr Wohlstand. 30 Prozent der Menschen im Land haben einen Hochschulabschluss. Macht Bildung glĂĽcklich?

Leider kann man das so nicht sagen. Menschen mit hoher Bildung sind insgesamt zwar glücklicher als Menschen mit geringer Bildung. Dieser Effekt verschwindet aber, wenn man die Unterschiede ins Verhältnis zum Einkommen setzt.

 

Das heisst?

Menschen mit höherem Einkommen sind in der Schweiz, wie in anderen Ländern auch, glücklicher als Menschen mit geringerem Einkommen. Eine höhere Bildung trägt dazu bei, auch einen Job mit höherem Einkommen zu bekommen. Somit sind Menschen mit höherer Bildung nicht glücklicher, weil sie mehr Bildung haben, sondern weil sie im Durchschnitt die höheren Einkommen erzielen.

 

Es gibt also keine «Glücksformel» beim Verhältnis von Bildungsniveau zu Lohn.

Nicht direkt. Dazu muss man sagen, dass das Bildungsniveau in der Schweiz grundsätzlich hoch ist. Auch die Berufslehre ist eine gute Bildung. Andere Länder kennen grössere Unterschiede. Den entscheidenden Unterschied beim Glücksempfinden gibt es nicht zwischen sehr gut und gut ausgebildeten, sondern zwischen gebildeten und wenig bis gar nicht gebildeten, die vor allem in Aushilfejobs arbeiten. Das sieht man auch bei uns.

 

Dennoch blicken wir gebannt auf Lohnstudien, um unseren Stand einzuschätzen. Wirkt das unserem Glücksempfinden entgegen?

Vergleichsstudien können auch dazu animieren, sich zu sehr zu vergleichen, was Potenzial für Unzufriedenheit birgt. Durch intensives Suchen werde ich stets Kollegen oder Kolleginnen finden, die aus für mich unerfindlichen Gründen mehr verdienen, und kann mich dann darüber ärgern. Studien sind aber wichtig, um einzuschätzen, ob die Entlöhnung in einem Unternehmen innerhalb einer Branche oder eines Wirtschaftsraums fair und angemessen ist.

 

Und ist dies generell der Fall?

Es gibt Bereiche, in denen es nicht der Fall ist, zum Beispiel in Gesundheitsberufen wie der Pflege. Grundsätzlich zeigt sich aber, dass es für einen grossen Teil der Wirtschaft in der Schweiz zutrifft.

 

Solange wir nicht zu sehr vergleichen.

Es ist immer eine Frage des Masses. Studien sind wichtig für die Standortbestimmung, aber auch, um Ausreisser ausfindig machen. Gleichzeitig darf man nicht in eine Transparenz-Euphorie verfallen. Es gibt immer Unterschiede, die man nicht gänzlich erklären kann. Und am Ende ist es egal, was andere verdienen, solange ich mit meiner Situation selber zufrieden bin. Deshalb soll man beim Lohn im Sinne der Bandbreite hinschauen: Bin ich in der Norm drin? Und wenn nicht, weshalb?

 

«Mehr Bescheidenheit» heisst es immer mal wieder. Ist Bescheidenheit ebenfalls ein Faktor in der Glücksforschung?

Ja insofern, als sich das Glück ja immer relativ verhält, zu dem, was man will. Bei uns heisst Bescheidenheit meist nicht, dass man sich im Lebensstandard einschränkt, sondern eher, dass man seine Impulse kontrolliert und sich nicht von der Konsumlust vereinnahmen lässt. Wir werden stets animiert, neues zu kaufen, ein neues Smartphone, neue Kleider, ein neues Auto. Man kann sich vor einem Kauf schlicht fragen: Ist das ein entscheidender Faktor für mein Glück? In den meisten Fällen wird man merken, dass dies nicht der Fall ist. Denn noch mehr materieller Besitz ist in reichen Ländern nachweislich kein nachhaltiger Beitrag zum Glück.

 

Und was ist nachhaltig fĂĽr unser GlĂĽck?

Freundschaften zum Beispiel. Diese werten sich nicht ab.

 

 

Mathias Binswanger, Ă–konom,GlĂĽcksforscher und Dozent an der FHNW.

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