Autorin: Ursina Orecchio, Leitung Digitale Kommunikation BFH
Anna Beatriz Gomes aus São Paulo, Brasilien hat zunächst von 2011 und 2017 am Souza Lima Music Conservatory studiert, danach drei Jahre lang die Drama School Célia Helena Arts School besucht und schliesslich zwei Jahre am Operastudio Theatro São Pedro verbracht. Sie hat danach zwei Jahre als Solistin mit Orchester gearbeitet. Im Juni 2021 ist sie für die Sommerfestspiele an der Berlin Opera Academy nach Europa gekommen. In Berlin hat sie Deutsch und Gesang vertieft und sich für eine weitere Ausbildung vorbereitet. Als frischgebackene Preisträgerin des italienischen Trentino Musikfestival kam sie schliesslich 2022 in die Schweiz und an die HKB.
Es ist ein kühler, regnerischer Märztag. Die fröhliche und begeisterungsfähige Anna führt uns durch die Bourg, dem Bieler Gebäude, indem die Oper und Musik und Bewegung ihre Räumlichkeiten haben. Das Gespräch führen wir im Treppenhaus, dem Verbindungselement.
Anna Gomes
Ich habe schon so viel in Brasilen gesungen, aber wenn man die Gelegenheit bekommt und Zeit hat nach Europa zu kommen, muss man sie nutzten. Oper und Theater sind hier Tradition. Vor drei Jahren bin ich nach Europa gekommen, denn trotz meiner bis dahin gesammelte Erfahrung wollte ich mich weiterentwickeln. Mir war mit 24 Jahren bewusst, dass viele Opernsänger*innen einen Master haben, dass aber auch ein Opernstudio gut wäre. Als ich vom Studium an der HKB in der Schweiz gehört habe, wo man gleichzeitig zum Master das Opernstudio machen kann, war es für mich klar. Das Studium hier ist deshalb sehr besonders. Es bietet für mich ausserdem eine sehr gute Gelegenheit, Leute kennenzulernen und mein Niveau zu einem anderen Niveau zu bringen, mein Deutsch zu verbessern und viel deutsches und verschiedenes Repertoire zu singen.
In der Pandemie habe ich mit Deutsch angefangen. Das war so schwierig, weil alles online war. Ich habe viele Serien auf Deutsch geschaut und viel deutsche Musik gehört. Bei meiner Ankunft in Europa war mein Sprachniveau höchstens auf B1. So im Alltag ist es anders und so habe ich während meines einjährigen Aufenthaltes in Berlin viel dazu gelernt. Ich habe viel gesungen und fünf Stunden täglich für meine Deutschkenntnisse eingesetzt und arbeite natürlich noch immer daran. Manchmal muss man für Opernproduktionen nicht nur singen, sondern auch richtig gut sprechen können. In My Fair Lady, die Produktion, in der ich letztes Jahr mitgewirkt habe, hat es so viel Text! Dies war mein professionelles Deutsch Debüt. Oder auch Heidi feiert Weihnachten, das ich hier in Biel aufgeführt habe, wäre für mich nicht möglich gewesen ohne meine Sprachkenntnisse.
Ich habe immer grosse Ziele gehabt und deswegen habe ich mich entschieden, nach Europa zu kommen. Ich interessiere mich für Kulturen und für Sprachen. Zudem ist die Operntradition Europas wie bereits gesagt, gross und die Dichte an Theatern und Opernhäusern beträchtlich grösser als in den USA oder Brasilien. Damit man die Gefühle und den Kontext versteht und auch vermitteln kann, muss man die Sprache beherrschen. Ansonsten muss man das Werk übersetzen und dies macht die Arbeit komplizierter. Nach Europa zu kommen ist zwar ein grosses Ziel, aber es ist sehr wichtig.
Dass man so viel singt! In anderen Studienangeboten gibt es zu viel Theorie, sodass man am Ende zwar einen Master in Gesang hat, ohne dass man so viel gesungen hat. An der HKB und insbesondere im Masterprogramm Oper hat man die Gelegenheit zu singen wirklich. Wir singen von Montag bis Freitag den ganzen Tag und wir haben eine gute Balance zwischen Theorie und Praxis. Ausserdem machst du auch ein Praktikum. Auf der Bühne zu sein, ist es etwas wirklich Besonderes. Damit entwickelt man sich stark. Ich habe mich für die HKB entschieden, weil ich so viel singen kann und ich meinen Gesang entwickeln wollte. Wir machen jede Woche ein Vorsingen-Training. Das hat mir so viel geholfen, als ich zum Beispiel die Rolle der Eliza in My Fair Lady vorbereitet hatte. Alle Lehrer*innen hier haben mir so viel geholfen mit der Vorbereitung. Wir haben auch Diktion mit einer wunderbaren Lehrerin Anna Magdalena Fitzi. Wir arbeiten nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Italienisch oder Französisch, wir haben auch wir haben auch Schauspielunterricht und szenische Arbeit mit Fachbereichsleiter Mathias Behrends. Das finde ich so wichtig. Heutzutage müssen Opernsänger*innen nicht nur gut singen, sondern auch gut spielen können.
Unsere Abschlussprüfung ist «La finta giardiniera» von Wolfgang Amadeus Mozart und ich werde die Rolle der Sandrina singen. Es wird eine sehr tolle Produktion mit acht oder mehr Sänger*innen sein. Es wird etwas Modernes, aber auch mit der traditionellen Musik von Mozart. Save the date: 1. und 2. Juni 2024 im TOBS Theater Orchester Biel Solothurn. Es wird sehr toll, wir machen die ganze Oper mit nur wenigen Streichungen.
Neben der Produktion schreiben wir auch eine Thesis. Ich befasse mich mit drei verschiedenen Rollen: Zerbinetta von Richard Strauss, Cunegonde von Leonard Bernstein und Ophélie von Thomas Ambroise. Ich vergleiche die drei und spreche über ihre Rollen in der Gesellschaft. Es sind unterschiedliche Frauen, die ich in meiner Arbeit vergleiche. Dazu gehört auch das Gegenüberstellen von Dramaturgie, Zeit, Stil, Sprache der drei Werke.
Zur Veranstaltung «La finta giardiniera»
Für Requisiten und Kostüme haben wir den Fundus. Wir benutzen die Sachen, die sie über viele Jahre gesammelt haben. In der szenischen Arbeit suchen manchmal im Fundus etwas. Auch die Requisiten sind toll. Im Opernstudio macht man auch ein eigenes Projekt, also ein Projekt, das zu 100% von Studierenden ist. Ich habe das im ersten Jahr gemacht. Es war eine grosse Sache. Das war hier ein grosses Projekt in Biel mit Leuten aus Musik und Bewegung und vom Opernstudio. Wir hatten fast alles vom Fundus genutzt.
Mein Ziel ist mein höchstmögliches Niveau als Künstlerin zu erreichen: Eine Opernsängerin in Europa zu sein und in vielen Theater zu singen – also in den grössten Theatern natürlich auch – aber mein «basic» Ziel ist wirklich von meinem Gesang Vollzeit zu leben und an viele Produktionen mitzuwirken. Ich möchte viel Koloratur-Rollen singen. Meine Traumrollen sind Zerbinetta aus Ariadne auf Naxos von Richard Strauss und Ophelie aus Hamlet von Ambroise Thomas. Diese muss ich unbedingt singen und danach kann ich sterben. (lacht)
Dieser Artikel wurde als Erstpublikation auf hkb.bfh.ch veröffentlicht.