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Kinder bringen Informatik auf die Theaterbühne

Informatik und Programmieren gehören seit der Einführung des Lehrplans 21 zum Schulalltag. Mit verschiedenen Methoden werden diese Kompetenzen fächerübergreifend vermittelt. Was bisher fehlt, ist die Verbindung mit den künstlerischen Disziplinen. Mit dem Projekt «Informatiktheater» will Christian Renggli, Absolvent des CAS Medienpädagogik im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, diese Lücke schliessen und die Zukunft der Schule mitgestalten.

Autorin: Nora LĂĽthi, Mitarbeiterin Kommunikation Weiterbildung OST

Eine normale und eine magische Welt – getrennt durch ein Tor. Wenn die Kinder durch dieses Tor gehen, verwandeln sich ihre Requisiten auf der Bühne. Die kleinen Lämpchen am Schwert einer Schülerin beginnen zu blinken, der Kreis auf dem Kopf eines Schülers leuchtet plötzlich rot. Das ist eine Szene aus einem Schultheater, genauer gesagt einem Informatiktheater. Die Ideen dafür stammen von den Kindern und auch die digital gesteuerten Requisiten haben sie selbst programmiert.

Nicht nur auf der Bühne, sondern auch in der Realität treffen zwei scheinbar verschiedene Welten aufeinander: die Informatik und das Theater. «Für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrpersonen eröffnet sich durch diese Verbindung eine neue Welt des Lernens», sagt Christian Renggli, Erfinder des Informatiktheaters und Absolvent des CAS Medienpädagogik im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz an der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Kreativität der Kinder kennt keine Grenzen

Das Informatiktheater findet in Form einer Projektwoche in Klassen des fünften bis neunten Schuljahrs statt. Über 230 Schülerinnen und Schüler haben bereits teilgenommen. Zusammen mit einer Theaterpädagogin oder einem Theaterpädagogen sowie der Klassenlehrperson führt der Informatikdidaktiker Christian Renggli die Kinder ins Theaterspielen ein. Danach lernen sie die digital gesteuerten Requisiten kennen. Dabei handelt es sich um neutrale Objekte wie Stäbe, Ringe oder Displays. Mit einer sogenannten Block-Programmiersprache werden die Objekte verändert: Sie können leuchten, Töne von sich geben, Text anzeigen oder Lämpchen können sich darauf bewegen. Auf der Bühne kann der Leuchtstab zum Besenstiel, Schwert oder Zauberstab werden. «Die Kreativität der Kinder kennt keine Grenzen – das überrascht mich bei jedem Informatiktheater aufs Neue», erzählt Christian Renggli. Deshalb gibt er den Schülerinnen und Schülern auch keine Geschichte oder Texte vor.

Informatiktheater in drei Minuten erklärt

Programmieren als lehrreicher Prozess

Die Kinder lernen die Programmiersprache der Requisiten kontinuierlich kennen, indem sie eine Vorlage zuerst nachbauen und versuchen zu verstehen, bevor sie sie dann abändern. «Sie spielen mit den Requisiten und lassen sich von ihnen inspirieren», erklärt Christian Renggli. «Auf der Bühne merken die Kinder, dass sie ein Requisit neu oder anders programmieren müssen, damit es das macht, was sie in der Szene zeigen wollen. Das motiviert sie, herauszufinden, wie die Programmiersoftware funktioniert.» Mit diesem intrinsischen Interesse der Kinder entsteht im kreativen Lernprozess das Informatiktheater. Am Ende jeder Projektwoche zeigen sie ihre Arbeit in einer kleineren oder grösseren Aufführung. Applaus ist garantiert – «nicht nur die Kinder und die Lehrpersonen, sondern auch die Eltern sind begeistert», erzählt Christian Renggli.

«Auf der Bühne merken die Kinder, dass sie ein Requisit neu oder anders programmieren müssen, damit es das macht, was sie in der Szene zeigen wollen. Das motiviert sie, herauszufinden, wie die Programmiersoftware funktioniert.»

 

Christian Renggli

Absolvent des CAS Medienpädagogik im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz an der OST – Ostschweizer Fachhochschule

Christian Renggli
Christian Renggli

Zwei Disziplinen treffen aufeinander

«Mein Ziel ist es, dass die Kinder nicht nur das Programmieren lernen. Sie sollen die Informatik als kreatives Werkzeug verstehen und anwenden», erklärt Christian Renggli. Die Idee für das Informatiktheater kam ihm während seiner Zeit als Primarlehrer. Er unterrichtete die beiden Fächer Informatik und Theater. «Ich habe gemerkt, dass sich Informatik gut eignet, um haptisch vermittelt zu werden» Im Theater fand er nicht nur ein Format dafür, sondern auch eine Disziplin, die perfekt zur Informatik passt.

Bestärkt wurde er in dieser Ansicht während der Entwicklung der digitalen Requisiten mit der ETH Zürich. Gemeinsam mit Ingenieurinnen und Ingenieuren der ETH sowie Theaterpädagoginnen und -pädagogen führte er Workshops durch. «Dort realisierte ich, dass die beiden Berufe sehr ähnlich funktionieren. Die Art und Weise, kontinuierlich Wissen aufzubauen und am laufenden Prozess zu lernen, ist die gleiche.» Projekte wie das Informatiktheater eignen sich, um diese Art des Lernens in die Schule zu bringen.

Informatiktheater
Informatiktheater
Informatiktheater

Interesse der Schulen ist gross

«Wir machen Schulentwicklung, indem wir das fächerübergreifende Lernen und Arbeiten fördern», ist Christian Renggli überzeugt und sieht darin auch die Zukunft der Schule. Selbstgesteuertes Lernen ermutige dazu, Neues auszuprobieren, vernetzt zu denken, Fehler zu machen und daraus zu lernen – alles Kompetenzen, die mit dem Einzug von Künstlicher Intelligenz in die Klassenzimmer noch wichtiger werden.

Bisher fanden die Theater in den Regionen Zürich und Aargau statt – bald kommen sie auch in den Kanton Zug. «Mein langfristiges Ziel ist es, dass das Informatiktheater in der Deutschschweiz ein fester Bestandteil der fächerübergreifenden Arbeit an den Schulen wird», zeigt Christian Renggli auf. Das Informatiktheater soll zum Selbstläufer werden. Lehrpersonen könnten das Projektformat zusammen mit einer Fachperson selbst durchführen. Christian Renggli ist zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen: «Wir rennen überall offene Türen ein – das Interesse der Schulen ist sehr gross.»

CAS Medienpädagogik im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz

In einer von Künstlicher Intelligenz (KI) geprägten Welt ist Medienpädagogik als flexibles Modell zu verstehen, das sich an vielfältige Bedürfnisse und Anforderungen anpasst. Der CAS Medienpädagogik im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz befähigt die Teilnehmenden, die Herausforderungen und Chancen des medialen Wandels zu verstehen und Medienpädagogik sinnvoll einzusetzen.

Dieser Artikel wurde als Erstpublikation auf weiterwissen.ch veröffentlicht.

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