Deshalb arbeiten Forscherteams weltweit an Konzepten, erneuerbare Energie möglichst effizient und günstig zu speichern. Zwei Forscherteams an der OST – Ostschweizer Fachhochschule und der EPFL in Sion haben es in Zusammenarbeit nun geschafft, den Wirkungsgrad für einen zentralen Prozess bei der Speicherung von erneuerbarer Energie in Form von synthetischen Brennstoffen von den bisher üblichen 50% auf nahezu 70% zu steigern. Eine wirtschaftlich günstige, langfristige Speicherung von erneuerbarer Energie rückt damit in greifbare Nähe. Besonders die mögliche Speicherung der Energie als synthetisches Erdgas hat im Kontext der aktuellen Energiekrise an Bedeutung gewonnen.
Eine rein elektrische Energiezukunft ist unwahrscheinlich. Während sich Autos oder Gebäudeheizungen gut von fossilen Brennstoffen auf Strombettrieb umstellen lassen, sind andere Bereiche auf Brennstoffe angewiesen. Industrielle Prozesse wie die Betonproduktion, der Flug- und Schwerlastverkehr oder die Schifffahrt brauchen die im Vergleich zu Akkus deutlich höhere Energiedichte. Also die Möglichkeit, möglichst viel Energie aus möglichst wenig mitgeführter Energieträgermasse zu beziehen. (siehe Hinweis ganz unten)
Vor dem Hintergrund des globalen Ziels, den CO2-Ausstoss auf Null zu bringen, ist die bisher einzige Lösung für dieses Problem die Speicherung von erneuerbarer Energie in Form von synthetischen Treibstoffen. Denn bei der Produktion von beispielsweise Diesel aus erneuerbarem Strom, wird der Atomsphäre genauso viel CO2 entzogen, wie bei der Verbrennung wieder frei wird.
Der Ausgangsstoff für alle synthetisch hergestellten chemischen Energieträger (sogenannte e-Fuels) ist Wasserstoff. Damit dieser nachhaltig hergestellt werden kann, wird mit regenerativem Strom zumeist Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Wird der Wasserstoff anschliessend mit CO2, beispielsweise aus Kehrichtverbrennungsanlagen, zusammengebracht, lassen sich verschiedene Kohlenwasserstoffe synthetisieren. Zum Beispiel das gasförmige Methan oder das flüssige Methanol. Methan kann gleich wie Erdgas genutzt werden, Methanol hingegen ist der Grundstoff für praktisch alle flüssigen Kohlenwasserstoffe: von Benzin oder Diesel über Kerosin bis hin zu Grundstoffen für die chemische Industrie.
Ein Forscherteam des IET Institut für Energietechnik der OST hat seit 2017 zusammen mit weiteren Partnern, insbesondere der EPFL, an der Hochtemperatur-Elektrolyse gearbeitet, um die Umwandlung von Strom in Methan effizienter zu machen. Das angepeilte Ziel war, den Gesamtwirkungsgrad der Umwandlung von aktuell 50% auf 70% bei einer Anlage im industriellen Massstab zu erhöhen. „Das bedeutet, dass 70 Prozent des investierten Stroms im Methan gespeichert werden können“, erklärt Projektleiter Luca Schmidlin vom IET.
Gemessen wurde diese signifikante Steigerung in der Power-to-X-Forschungsanlage des IET in Rapperswil-Jona. Der Prototyp der Hochtemperatur-Elektrolyse, geliefert durch die EPFL and basierend auf Technologie von SolydEra, wurde hier im Demonstrationsmassstab (rund 15 kW) mit einer in der Industrie üblichen PEM-Elektrolyse verglichen, beide in Kombination mit der einer katalytischen Methanisierung. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Elektrolysetechnologien ist, dass die Hochtemperatur-Elektrolyse stark erhitzten Wasserdampf als Ausgangsstoff nutzt, während die PEM-Elektrolyse flüssiges Wasser verwendet.
Kern der neuartigen Demonstrationsanlage ist, dass die für die Dampfherstellung benötigte Energie von der nachgeschalteten Methansynthese anfallenden Reaktionswärme stammt. Dabei wird die anfallende Wärme sinnvoll genutzt anstatt sie als Verlust entweichen zu lassen. Bei Versuchen im Teillastbereich liessen sich so rund 3/4 der benötigten Dampfmenge herstellen, welche für die sehr effiziente Hochtemperaturelektrolyse benötigt wurde. Zusatzversuche zur optimierten Wärmeintegration an der EPFL zeigen, dass das Erzeugen von 100% des benötigten Dampfes dank der Wärme der Methansynthese möglich ist. Der Betrieb konnte ohne Probleme über mehrere Stunden aufrechterhalten werden. Erste Vergleiche zwischen den beiden Betriebsarten zeigen, dass dank der neuen Technologie der Betrieb um satte 25 Prozentpunkte effizienter war. Dabei wurden die Aufwände für die Kompensation der thermischen Verluste sowie der Betrieb von Hilfsaggregaten wie zum Beispiel für die Kühlung und die Druckluftherstellung nicht berücksichtigt.
Dem angepeilten Ziel, den Gesamtwirkungsgrad der Power-to-Gas-Umwandlung (Stromspeicherung in Form von Methan) von aktuell 50% auf 70% zu erhöhen, steht das Projektteam demnach sehr nahe. Die Versuche werden in der ersten Jahreshälfte 2023 mit einer frisch revidierten Anlage wiederholt, um die Versuchsdaten der ersten beiden Testreihen zu bestätigen. Gelingt es, die Ergebnisse zu bestätigen ist ein wichtiger Schritt für die Speicherung von erneuerbarer Energie geschafft: „Dank der Ausführung unserer Forschungsplattform als industrienahe Demonstrationsanlage lassen sich die Ergebnisse 1:1 auf industrielle Grossanlagen übertragen“, erklärt Schmidlin.
Die Steigerung des Wirkungsgrads bei der Umwandlung von erneuerbarem Strom in erneuerbare Energieträger ist ein wirtschaftlich sehr relevanter Faktor, wenn es darum geht, Überschüsse aus erneuerbarer Energie im Sommer für die Verwendung im Winter zu speichern. Mit dem Erfolg der IET und EPFL Teams, den Wirkungsgrad für die Produktion von klimaneutralem, synthetischen Methan zu steigern, wird es möglich, beispielsweise synthetisches Erdgas im industriellen Massstab zu produzieren. Erdgas besteht zu einem überwiegenden Teil aus Methan.
Hinweis:
In einem Kilogramm Diesel steckt in etwa 40-50 so viel Energie wie in einem Kilogramm eines modernen Lithium-Ionen-Akkus. Ein Elektro-Lkw müsste also zum Beispiel statt eines 100 Kilogramm fassenden Dieseltanks einen 4‘000 bis 5‘000 Kilogramm schweren Akku mittransportieren, um die gleiche Energiemenge mitzuführen. Dieses Verhältnis lässt sich auch trotz des im Vergleich zum Verbrenner effizienteren Elektroantriebs nur mit Einbussen bei der Reichweite oder bei der möglichen Transportkapazität kompensieren – was wiederum die Einsatzmöglichkeiten und die Wirtschaftlichkeit reduziert und damit zu höheren Kosten führt.
Zudem lassen sich elektrische Energieüberschüsse aus erneuerbaren Quellen im Sommer über längere Zeiträume günstiger und flexibler nutzbar in Form von synthetischen Brennstoffen als in Akkus speichern. Brennstoffe verlieren bei der Lagerung und beim Transport über weite Strecken anders als elektrischer Strom keine Energie und lassen sich je nach Brennstoff-Art wieder in (Gas)kraftwerken verstromen, in Fahrzeuge tanken oder durchs Gasnetz schweizweit verteilen.
Und zu guter Letzt lassen sich synthetische Brennstoffe ohne Umbau-Investitionen in derbestehenden Infrastruktur (z.B. im Gasnetz, in Fahrzeugen oder in Industrieprozessen) verwenden, ohne seltene und teure Ressourcen für die Produktion von industriellen Akku-Anlagen oder transportablen Akkus zu benötigen.
Medienmitteilung vom 21. Januar 2023