Benno Bachmann und Sergio Casucci setzen sich tagtäglich mit den unterschiedlichsten Lebensläufen und Berufskarrieren auseinander. Als Laufbahnexperten mit FH-Hintergrund betrachten sie das Thema Weiterbildung in einem breiten Kontext. Im Interview geht es um die Auseinandersetzung mit sich selber, Karriereplanung sowie um FH-Weiterbildungen und inwiefern diese lohnrelevant sind.
Benno Bachmann: Wir haben eine Frage auf unserem Online-Anmeldeformular, die lautet: Welche Themen und Fragen möchten Sie besprechen? Der Antwortklassiker dort ist: Was kann ich mit meiner Arbeitserfahrung und meiner Ausbildung weiter machen, was sind meine Möglichkeiten?
Bachmann: Nein, die sind eher vage. Wir schicken deshalb den Kundinnen und Kunden ein Vorbereitungspapier zu, damit sie sich vorgängig damit auseinandersetzen können, was sie hier besprechen und erreichen wollen. Oder dass sie zumindest konkrete Fragen haben. Das ist absolut zentral.
Sergio Casucci: Unsere Kundinnen und Kunden kommen mit unterschiedlichen Erwartungen und Hoffnungen. Zum Teil können sie präzise schildern, wohin sie sich mit Hilfe der Beratung bewegen wollen. Manchmal fehlt ein wenig die Vorstellung davon, was man genau will. Weiterbildung ist derzeit sehr präsent und wird stark beworben. Deshalb geht zuweilen der Sinn und Zweck dahinter etwas verloren. Es braucht sehr viel Eigenleistung im Denken, im Überlegen, im Planen. Da können wir gut Anstösse bieten; jedoch bleibt der Hauptteil der Umsetzung beim Individuum selbst.
Bachmann: Wir führen jährlich rund 80 Laufbahnseminare mit jungen Erwachsenen durch, die demnächst die Lehre beenden werden. Dort bekommen wir unisono zu hören: «Uns ist ganz klar bewusst, dass wir uns weiterbilden müssen.» Das ist durch, das ist angekommen.
Casucci: Wobei wir hier klar sagen müssen, dass wir von den 19- bis 25-Jährigen reden. Doch zu uns kommen auch ganz viele Leute ab 40 Jahren.
Casucci: Nicht bei allen gleich. Der Arbeitsmarkt ist in den letzten 20 Jahren so stark disruptiert worden und wird es auch weiter – gerade in Bezug auf die Digitalisierung –, dass sich Menschen, die 20 Jahre dasselbe gemacht haben und noch 25 Jahre arbeiten müssen, sich tatsächlich die Frage stellen müssen: Wohin entwickelt sich meine Arbeit? Es ist ein bisschen wie beim Thema Gesundheit, wo man weiss: Man muss Sport oder Fitness treiben, um die Chancen zu erhöhen, auch im Alter gesund zu bleiben. Gleich verhält es sich mit der Arbeitsmarktfähigkeit. Deshalb müsste man sinnvollerweise sagen, dass es, wie beim Gesundheitscheck, alle fünf Jahre einen Laufbahncheck braucht.
Bachmann:Â Das kann man nicht einseitig beantworten. Die Kombination von Lehre und Praxis ist schliesslich das Wichtigste, wie es auch die FHs beispielhaft praktizieren.
Casucci: Solch eindeutige Superlative sind natürlich unrealistisch. Einerseits kann ich mich der Aussage anschliessen – Erfahrung, auch Lebenserfahrung, ist sicher wichtig, um Erfolg zu haben. Mit Erfolg meine ich, dass man sich als selbstwirksam in der Arbeitswelt wahrnimmt. Bei vielen «nur Studierten» fehlt ein wenig der Praxisbezug, die Späne, die gehobelt werden. Hingegen können Menschen, die nie theoretisch, abstrakt oder übergeordnet gearbeitet haben, noch etwas Vogelperspektive entwickeln.
Bachmann: Laut Ratgeberliteratur natürlich schon, da gibt es einige sehr starke Aussagen. Aus meiner Sicht ist sie nur bedingt planbar. Wir leben in einer sich schnell verändernden Zeit mit teilweise unberechenbaren Einflussfaktoren. Mit unserem Laufbahngestaltungsmodell berücksichtigen und bearbeiten wir mit der Kundschaft die für sie relevanten Themen und persönlichen Ressourcen. Damit unterstützen wir sie, realistische Schritte zu planen. Ob wir richtig lagen, kann man letztlich nur im Rückblick beurteilen. Und auch da ist die Antwort nicht immer eindeutig.
Bachmann: Aus meiner Sicht gut. Entscheidend ist sicher auch der Praxisbezug. Ich möchte bei den Abschlussarbeiten ansetzen. Wie stark wird hier mit der Wirtschaft zusammengearbeitet, welche Themen werden behandelt, welchen Nutzen haben sie in der Verwendung? Das ist ein Massstab.
Casucci:Â Meine Masterarbeit war eine sehr gute und bis heute hilfreiche Vorbereitung.
Bachmann:Â Weiterbildung ist auf jeden Fall keine Einbahnstrasse. Sie ist eine Geschichte zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Entsprechend legt man schon vorher die Bedingungen fest, ob es nun mehr Lohn gibt oder mehr Ferientage.
Casucci: Die Frage für Mitarbeitende ist: Welche zusätzlichen Anforderungen kann ich nach einer Weiterbildung erfüllen? Damit eine Weiterbildung lohnrelevant ist, muss auch für den Arbeitgeber ein Mehrwert sichtbar sein.
Casucci:Â FĂĽr meine jetzige Anstellung war der MAS Voraussetzung. Interessant war, dass ich als Berufsberater bereits acht Monate vor Ausbildungsbeginn angestellt wurde. Gerade im Anschluss an mein Psychologiestudium konnte ich sehr viel mitnehmen vom MAS. Aber klar: Weiterbildung dient auch der Ausweisvermittlung.
Bachmann: Bei mir hat es sich absolut gelohnt. Ich wäre nicht, wo und wer ich bin, ohne meine Weiterbildung an der FHNW. Zum einen ist es die fachliche Bereicherung, die ich erlebt habe. Zum anderen habe ich einmal mehr sehr spannende Persönlichkeiten kennen und schätzen gelernt. Und schliesslich ist eine Weiterbildung auch eine Art Ritual. Man muss eine Arbeit machen, sich präsentieren, einen Effort erbringen in begrenzter Zeit.
Das Interview in voller Länge ist im Magazin INLINE vom August 2019 erschienen.