Von der Banklehre zum Foodblogger

Lionel Hausheer
  • 12.10.2018
  • 8 min
Harry H. Meier inspiriert mit seinem Food-, Restaurant- und Travel-Blog „Harrys Ding“ jeden Monat 45’000 Zürcher. In dem Online-Magazin zeigen er und seine Frau Carrie den Lesern die spannendsten und schönsten Seiten der Food-Stadt Zürich und geben hochwertige Reise-Ideen. Wie er eher nebenher zum Blogger wurde und was er dem Ding verdankt, hat er uns erzählt.

„Eigentlich ist der Blog nur eine zeitintensive NebenbeschĂ€ftigung. Meine Frau Carrie und ich, wir mĂŒssen damit kein Geld verdienen, ich arbeite momentan als Media Relations Manager bei einem grossen Schweizer Internetvergleichsdienst.
Das gibt uns enorm viele Freiheiten. Wir können uns voll und ganz auf qualitativ hochstehende und relevante Inhalte fokussieren. Und wenn wir Partnerschaften eingehen, dann nur solche, die wirklich auch zu uns passen.

Mein Brotjob ist heute die Kommunikation. Ich arbeite als Mediensprecher und PR-Manager. Angefangen habe ich aber mit einer Banklehre bei der SKA, der Schweizerischen Kreditanstalt, heute Credit Suisse.

Die meisten Lehrlinge wurden dort nach der Lehre ĂŒbernommen. Am 31. Juli war die Lehrzeit zu Ende und am 1. August sassen sie auf dem genau gleichen Platz, beim genau gleichen Job und arbeiteten einfach weiter. Bloss mit einem neuen Arbeitsvertrag. UnbeschrĂ€nkt, unbefristet. Ich hĂ€tte ebenfalls so weiterarbeiten können nach der Lehre, wollte das aber nicht. Ich wollte raus in die Welt und etwas sehen.

Ich ging nach Australien, habe dort Englisch gelernt, in einer Bar gearbeitet und das Leben genossen. Ein Jahr lang. Dann kam ich zurĂŒck um viele Erfahrungen reicher und landete in der harten RealitĂ€t: Ich brauchte Geld und einen Job, wollte aber eigentlich nicht mehr in den alten Bereich zurĂŒck.
Ich habe gesucht und gesucht, aber keine Alternative zur Bank gefunden. Also ging ich zwangslĂ€ufig und etwas widerwillig dorthin zurĂŒck, fand dann aber doch noch Gefallen daran.

Danach hatte ich die Gelegenheit, in ein Projektteam der UBS einzusteigen. Diese hatte eine kleine Regionalbank in der NĂ€he von Bern ĂŒbernommen, die in die UBS integriert werden musste. Dort habe ich ausstehenden Kredite und Hypotheken auf ihre Tragbarkeit ĂŒberprĂŒft und zur Integration freigeben – oder dann zur weiteren Überarbeitung geschickt. Projekte fand ich immer gut, die fangen irgendwo an und hören auch wieder auf.

Als dieses Projekt abgeschlossen war, gab es die nĂ€chste Regionalbanken-Übernahme und somit das nĂ€chste Projekt. So ging es noch einige Male. FĂŒr mich war das gut. Das Projektbezogene gefiel mir, wir hatten ein gutes Team. Am Ende machte mir die UBS ein unbefristetes Jobangebot, bei dem ich ziemlich frei wĂ€hlen konnte, wo und was ich arbeiten möchte. Ich hatte seit der Bezirksschule noch eine Rechnung mit Französisch offen, die wollte ich endlich begleichen.

Also habe ich mich fĂŒr eine Stelle in Genf entschieden. Mein Französisch wurde besser und ich lernte in der Schweizer “Weltstadt” viele spannende Leute kennen und konnte dadurch meinen Horizont noch mal massiv erweitern. Aber ich merkte auch, dass ich nun hatte, wogegen ich mich lange gewehrt hatte: Einen fixen Job in der Bank.

Ich fing also an, mich nach etwas anderem umzuschauen.

Um die 2000er-Jahre war High-Noon in der Werbebranche. Jeder wollte dahin. Dort gab es die besten und angesagtesten Jobs und jede Menge Partys. Ich bewarb mich bei der Werbevermarkterin Publicitas und bekam die Stelle. WÀhrend der Zeit habe ich dann auch eine Weiterbildung zum Marketingplaner mit Eidgenössischem Diplom am Sawi in Lausanne gemacht.

Einmal hat mir ein Arbeitskollege erzĂ€hlt, er habe eine Uhr zuhause, die koste 25‘000 Franken. Eigentlich interessierten mich Uhren bis dahin nicht besonders. Aber dass eine Uhr so viel wert sein konnte, fand ich faszinierend. Ganz offensichtlich muss es dabei um mehr als die eigentliche Funktion als Zeitmesser gehen. Plötzlich war die Rede von Werten, Handwerkskunst, Tradition und Markengeschichte. Mein Feuer fĂŒr hochwertige Uhren war entfacht und als ich ĂŒber berufliche Kontakte ein Jobangebot in der Öffentlichkeitsarbeit von Patek Philippe bekam, musste ich nicht zweimal ĂŒberlegen. Mit der Kommunikation hatte ich endlich meine Bestimmung gefunden und mit den Uhren meine Passion fĂŒr das Storytelling entdeckt.

Nach zehn Jahren in Genf ging ich wieder zurĂŒck nach ZĂŒrich und arbeitete dort bei der Amag als PR-Manager fĂŒr Audi und Seat – ebenfalls ein klassischer Storyteller-Job. Beruflich war ich zu dieser Zeit oft im Ausland unterwegs an Produktlancierungen und Fahrveranstaltungen und habe dabei in der ganzen Welt viele spannende Restaurantkonzepte gesehen. Auch in ZĂŒrich war ich oft mit Journalisten essen.

Das lenkte meine Aufmerksamkeit immer mehr auf die Gastronomie. Ich wollte wissen, weshalb die einen Restaurants erfolgreich sind, wĂ€hrend die anderen immer leer bleiben. Damit wollte ich mich auseinandersetzen. Was mir sehr entgegenkam, denn ich suchte nach Inhalt fĂŒr meinen Blog, den ich gerade registriert hatte. Am Anfang schrieb ich dort einfach ĂŒber die Dinge, die mich interessierten. Eben was gerade „Harrys Ding“ war: Wein, Zigarren, Reisen, Möbel usw.

Irgendwann gingen mir da die Ideen aus. Plötzlich erwies sich die Gastronomie als unerschöpflicher Inhaltslieferant fĂŒr meine Webseite. Das war der Anfang von “Harrys Ding”, so wie man den Blog heute kennt.

Was viele nicht wissen: In der Zwischenzeit lebte ich wĂ€hrend drei Jahren in Deutschland. Dort arbeitete ich als Pressesprecher in der Produkt- und Technologiekommunikation von Audi. Trotz der Distanz zwischen ZĂŒrich und Ingolstadt und meinen hĂ€ufigen GeschĂ€ftsreisen nach Asien und in die USA habe ich “Harrys Ding” nie aufgegeben und jede Gelegenheit genutzt, aktuelle Inhalte fĂŒr den Blog herzustellen.

Meine Karriere habe ich immer ernst genommen, aber nie meiner Passion untergeordnet. Ich habe immer erst gemacht, was mich begeisterte, bevor ich langfristige Planungen anstellte. Und ich bin ĂŒberzeugt: Wer sich von seinen Interessen statt von Karriereabsichten leiten lĂ€sst, der ist am Ende zufriedener – und der Erfolg kommt ganz von alleine noch dazu. Die Kehrseite der Medaille: Ein von Passion geprĂ€gter Berufs-Lebenslauf verlĂ€uft nicht ganz so linear wie eine strikt durchgeplante Karriere.

Als ich von Deutschland wieder in die Schweiz wollte, kam ich zu einem Job bei der Allianz-Versicherung. Eigentlich eine gute und sehr spannende Stelle. Aber irgendwie wurde das keine Liebesbeziehung. Zu gross waren die Unterschiede zwischen den beiden Welten. Hier das emotionale AutogeschÀft, dort die eher trockene Versicherungswelt.

Und dann kam, was kommen musste: Zum ersten Mal in meinem Leben hat man mir die KĂŒndigung nahegelegt. Nicht wegen mangelnder Leistung, sondern aus persönlichen GrĂŒnden. Ich passte dazumal einfach nicht in das enge Korsett der Versicherungs-Teppichetage. Das war ein ziemlicher Wake-Up-Call.

Als sehr positive und zuversichtliche Person konnte ich damit zwar gut umgehen. Gleichzeitig wurde mir in dieser Zeit aber bewusst, wie schwĂ€chere Persönlichkeiten durch solch eine Erfahrung in soziale Turbulenzen geraten können. Es braucht nicht viel und man fĂŒhlt sich minderwertig, hat keine Lust mehr rauszugehen, will nicht mehr mit Leuten reden.

Was ich in dieser Zeit gelernt habe? Die Berufswelt hĂ€lt Überraschungen bereit und nicht immer verlĂ€uft alles nach Plan. FĂŒr diesen Fall sollte man gewappnet sein. Einerseits durch ein gesundes Selbstvertrauen und ein starkes Beziehungsnetz ausserhalb des Berufes, andererseits aber auch dadurch, dass man die AbhĂ€ngigkeit vom Arbeitgeber reduziert, um notfalls auch auf eigenen Beinen stehen zu können.

Mein Blog, den ich jetzt seit zehn Jahren betreibe und trotz der beruflichen Belastung nie aufgegeben habe, gab mir in dieser Zeit nicht nur eine BeschÀftigung und eine Struktur, sondern auch Sicherheit und eine Menge Selbstvertrauen.
Ich konnte mir sagen: „Ich habe etwas geschaffen, das einen Wert hat, was Menschen Freude bereitet und sie inspiriert.
Und: Nicht mein Job definiert mich, sondern meine Persönlichkeit und meine FĂ€higkeiten.“ Ich konnte Hoffnungen darauf bauen.

Ich hatte nie ein ausgeprĂ€gtes Karrieredenken. Der Blog entstand ungeplant und ohne konkretes Ziel – einfach aus Neugier fĂŒr neue Medien und aus einer Passion fĂŒr die Kommunikation. Heute eröffnet er mir aber eine völlig neue Dimension in meinem Leben – auch dank meiner Frau Carrie, die massgeblich am Erfolg von “Harrys Ding” beteiligt ist."

Dieser Beitrag ist als Erstpublikation im Bildungsmagazin der Bildungsplattform eduwo erschienen

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