Partnerartikel

«Was soll an Schmier­geld­zah­lun­gen falsch sein?»

Die Vereinten Nationen nutzen den Internationalen Tag gegen Korruption jeweils, um auf die schwerwiegenden negativen Auswirkungen von Korruption aufmerksam zu machen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Wie wichtig dies auch für international tätige Schweizer Unternehmen ist, verdeutlicht die Forschung der Fachhochschule Graubünden im Bereich der Korruptionsbekämpfung.

Anfang Jahr löste die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Studie der FH Graubünden in Zusammenarbeit mit Transparency International Schweiz zur Auslandskorruption von Schweizer Unternehmen ein grosses Medienecho aus. Insgesamt wurde in mehr als 200 Medienbeiträgen über die Ergebnisse der Studie berichtet. Die Studie kommt zum Schluss, dass zahlreiche Schweizer Unternehmen im Ausland mit Korruption konfrontiert sind. Demnach leistet jedes dritte Unternehmen im Ausland informelle Zahlungen oder Geschenke unter der Hand und wendet dafür durchschnittlich 5,6 Prozent seines Umsatzes im jeweiligen Zielland auf.

Unter der Online-Berichterstattung zur oben erwähnten Studie war die Kommentarfunktion bei neun Medienhäusern freigeschaltet. Es sind dies 20 Minuten, 20 Minutes, BärnToday, Blick, Nau.ch, SRF, Tagesanzeiger, Tribune de Geneve und Watson. Die Berichterstattung löste insgesamt 789 Kommentare aus, was das grosse Interesse der Mediennutzerinnen und -nutzer an diesem Thema belegt.

Dieser Blog-Beitrag beleuchtet die Aussagen dieser Kommentare. Dazu wurden die Kommentare systematisch nach vorgegebenen Kategorien wie Zustimmung, Ablehnung, Wut, Rechtfertigung und Lernen ausgewertet. Ziel war es, sowohl die emotionale als auch die kognitive Haltung der Kommentatoren zu erfassen.

Die Auswertung zeigt, dass ein Grossteil der Kommentare die Existenz von Korruption im Auslandsgeschäft von Schweizer Unternehmen anerkennt, sich aber oft wenig überrascht zeigt. Vielmehr wird das Problem als allgegenwärtig beschrieben, häufig relativiert oder mit dem Hinweis auf ‘allgemeine Praktiken’ verharmlost. Nur in wenigen Kommentaren wird Empörung geäussert oder aktives Handeln gefordert.

Korruption als eine unvermeidbare Realität

Die Kommentare lassen erkennen, dass Korruption häufig als unausweichliche Realität wahrgenommen wird. In zahlreichen Kommentaren wird sie als alltäglich dargestellt. Korruption wird weniger als moralisches Versagen, sondern vielmehr als funktionaler Bestandteil gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturen gesehen.

  • «Korruption untergräbt das Vertrauen der Bürger in die staatlichen Institutionen massiv, führt zu einer Verzerrung im Wettbewerb und hinterlässt Millionen von Opfern»
  • «Korruption ist doch gang und gäbe, von den Politikern angefangen bis zu den Geschäftsleuten.»
  • «Überrascht nun wohl niemanden so richtig. Es beginnt in der Schweiz unter dem Namen Lobbyismus und endet eben im Ausland als Bestechung.»
  • «Was soll an Schmiergeldzahlungen falsch sein, wenn dadurch ein Geschäft zustande kommt und eine Schweizer Firma davon profitiert? Nennt es doch ‚Geschäftsanbahnungskosten‘, tönt viel schöner.»

Akzeptanz und Relativierung

In anderen Kommentaren wird eine akzeptierende und relativierende Haltung deutlich, die versucht, Korruption zu rechtfertigen, da sie in sämtlichen Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens vorkomme.

  • «Ist doch normal…Geld regiert die Welt…»
  • «Es geht gar nicht mehr ohne. Korruption gibt es überall.»
  • «Wie sagt man so schön, gut geschmiert ist halb saniert. Darum wird auch in der Schweiz fleissig reformiert.»


Andere Kommentare betonen, dass unterschiedliche kulturelle und wirtschaftliche Bedingungen die Ausprägung von Korruption beeinflussen. Sie weisen darauf hin, dass Korruption in der Schweiz oft subtiler oder legalisiert auftritt, während sie in anderen Ländern offener und direkter ist. Diese Perspektiven betonen, dass Korruption im jeweiligen kulturellen Kontext gesehen werden muss.

  • «In der Schweiz heisst es nicht Korruption, sondern Lobbyismus!»
  • «Man muss sich immer den lokalen Sitten und Gebräuchen anpassen. Ansonsten gibt es kein Geschäft.»
  • «Je grösser die Bürokratie in einem Land ist, desto grösser ist die Notwendigkeit zur Korruption. In manchen Ländern kommt man ohne Korruption nirgends hin und das ist leider eine unausweichliche Tatsache.»

Humor und Sarkasmus

Sarkastische oder humoristische Kommentare lassen eine von Frustration und Resignation geprägte Haltung erkennen. Sie verdeutlichen, dass Korruption als tief in der Gesellschaft und Wirtschaft verankert wahrgenommen wird, weshalb eine wirkliche Auseinandersetzung oder Veränderung wenig aussichtsreich erscheint. Diese Haltung verbindet ein kritisches Bewusstsein für die Existenz von Korruption mit einer resignativen Akzeptanz ihrer Allgegenwärtigkeit.

  • «Man schmiert am besten mit weissen Westen. Sieht dann alles schöner aus, unschuldig wie eine kleine Maus.»
  • «Am besten schmiert man Beamte mit Diamanten in vielen Varianten. Wenn das nicht klappt, kommt man mit dem Haifisch!»

Forderung nach strukturellen Reformen

Die Kommentare, welche die Existenz struktureller Probleme anprangern, lenken die Aufmerksamkeit auf systemische Schwächen, beispielsweise im Bereich der Politikfinanzierung oder der Bekämpfung von Privatbestechung, und fordern eine stärkere Regulierung. Dies verdeutlicht, dass Korruption nicht als individuelles Fehlverhalten betrachtet wird, sondern als systemische Herausforderung, die tiefgreifende Veränderungen erfordert.

  • «Die Schweiz macht in der Korruptionsbekämpfung keinen Fortschritt. Ein Problem sind die stark verbreitete Vetternwirtschaft und die Intransparenz bei der Politikfinanzierung.»
  • «Solange die Lobbyverbindungen der Politiker nicht offengelegt werden müssen, wird es weitergehen wie bisher.»
  • «Und gleichzeitig versenkte der Nationalrat eine Motion zur Erhöhung des Strafmasses im Bereich des Unternehmensstrafrechts. Es bleibt somit dabei, dass maximal CHF 5 Mio. als Strafe ausgesprochen werden können. Zum Vergleich: Glencore erzielte 2022 einen Gewinn von 34 Mrd., Roche 22.2 Mrd., Vitol 14 Mrd., Novartis 13.3 Mrd., Trafigura 7 Mrd.»

 

Die Analyse der Kommentare zeigt, dass Korruption häufig als unvermeidbare Realität akzeptiert und durch Humor oder kulturelle Relativierungen normalisiert wird. Während einzelne Stimmen deutliche Kritik an strukturellen Schwächen und mangelnder Korruptionsbekämpfung üben, wird die Dringlichkeit, das Problem entschlossen anzugehen, in den Kommentaren insgesamt als gering eingeschätzt.

 

Link zur Studie

Kommentare