Wie aus Träumen Herausforderungen werden

Rene Jahns
FH-Absolvent
  • 11.06.2021
  • 8 min
Man hat es geschafft, das Bachelor- und oder Masterstudium ist abgeschlossen, die grosse weite Welt steht einem offen, es gibt viele Jobs, Träume, Ideen die vor einem liegen, man möchte die Welt erobern. Es soll alles unter einen Hut passen, intensive Karriere, Horizonterweiterung durch Reisen, Familienplanung, Pflege der Freunde und und und. Einiges macht man sofort, vieles verschiebt man auf später. Und manchmal geht dabei eins vergessen, man selbst.

Hin und wieder, mal früher, mal später, werden die oben genannten Pläne durch eine einzige alles erdrückende Herausforderung plötzlich in den Hintergrund gedrängt, oder gar ganz verunmöglicht. 

 

Mit diesem Artikel bzw. meiner Geschichte, möchte ich euch, liebe Leser, für eine kurze Zeit entschleunigen sowie die Möglichkeit geben einmal Inne zu halten und sich selbst zu fragen, wo man steht, was einem wichtig ist, und vor allem was man wirklich will. Vor allem, wenn man sich vorstellt, dass plötzlich nicht mehr unendlich viel Zeit für alle (vagen) Träume und Pläne übrig ist.

 

RĂĽckblick Studium/Arbeitsleben

Als ich 2009 meinen Abschluss in Betriebsökonomie an der FHS St. Gallen machte, war die Pensionierung noch in weiter Ferne und ich dachte so, wow noch ca. 40 Jahre arbeiten, finde ich überhaupt etwas, das mir so lange auch Spass macht? Selbst 8 Jahre später im Jahr 2017 als ich den Masterabschluss in Banking and Finance an der HWZ feierte, war es gefühlt eine sehr lange Zeit bis zur Altersrente. Immerhin wusste ich mittlerweile wirklich, was mir liegt, was ich gut kann und wo (zumindest beruflich) die Reise hingehen soll. Hohe Leistungsbereitschaft, Anpassung an interne Promotionsprozesse, Schaulaufen vor dem Top-Management sollten eine Karriere formen, auf die man stolz sein konnte. Dies mit dem Bewusstsein einen hohen Preis zu zahlen, aber nicht jeden. Ich war also ein junger Mann mit Träumen und Zielen wie z.B. einer nachhaltigen Beziehung, einer erfolgreichen Karriere und die Welt zu erkunden. Dies änderte sich Anfang April 2019 abrupt…

 

Der Schock

Zu besagtem Zeitpunkt wurde mir die Diagnose Darmkrebs im Stadium 4 mit vielen Metastasen in der Leber und in verschiedenen Lymphknoten offenbart. Die Schulmedizin nahm direkt das Wort «palliativ» in den Mund, also nur noch lebensverlängernd, aber nicht mehr kurativ (heilend). Da war sie, diese Krankheit die gefühlt eigentlich nur alte Menschen ereilt, die eigentlich so weit weg ist, die nur andere trifft aber nie einen selbst. Und dabei war sie mir schonmal sehr nahe, als meine Mutter im Februar 2013 die genau gleiche Diagnose erhielt. Ich machte dann im 2014 aufgrund familiengenetischer Gefahr eine Vorsorgeuntersuchung, welche aufzeigte, dass alles tiptop sei, ich solle in 10 Jahren wiederkommen. Wie wir sehen, war es nach fünf Jahren schon fast zu spät. Nach einem massiven seelischen Down, nahm ich die Herausforderung an und strafte alle Ungläubigen Lügen und kämpfte mich Stück für Stück an ein Wunder heran. Nicht immer gradlinig positiv aber immer in die richtige Richtung. Ich hatte immer den notwendigen Respekt vor der Unberechenbarkeit der Erkrankung aber war niemals bereit aufzugeben. Nach acht Chemos im Frühjahr 2019, der Darm OP im August 2019, sechs weiteren Chemos bis Weihnachten 2019 und nochmals sechs Chemos von Februar 2020 bis Mai 2020 mit dem Ergebnis, dass die Aktivität komplett weg war in den Blutwerten und im PET CT. Daraufhin gönnte ich mir eine längere Pause mit Klosteraufenthalt und diversen kleinen Ausflüge (coronabedingt regional). Im Juli 2020 dann beim Zwischencheck leider wieder Aktivität und die Feststellung, dass es mit gesunder Ernährung, Sport, Vitaminen und Meditieren noch nicht ganz klappt. Aufgrund der immer gleichen Problemstellen, Lymphknoten und Leber, schwenkte das behandelnde Zentrum endlich von palliativ auf kurativ um und es wurde eine Bestrahlung der 2-3 Lymphknoten geplant, danach eine kurz fünfmalige Chemo und dann die Leber OP, welche mir im 2019 verwehrt wurde, aufgrund der Annahme, dass sie Lebenszeit kostet statt schenkt. Nachdem die OP im November 2020 auch noch gem. Chirurg sensationell gelaufen war und man alles entfernen konnte, fühlte ich mich das erste Mal auch als Teil eines Wunders.

 

In der anschliessenden Reha habe ich am dritten Tag allerdings Corona bekommen und die Rehamassnahmen wurden beendet und ich dort im Zimmer eingeschlossen. Aufgrund diverser privater Faktoren war ich dort sehr depressiv. Im Januar 2021 dann plötzlich wieder undefinierbare «Schmerzen», wodurch wieder Blutwerttests begannen, welche zeigten, dass wohl irgendwo doch noch etwas Aktivität ist. Bei der Bildgebung via PET CT zeigte sich Mitte Februar 2021 schlussendlich, dass mein ganzer Erfolg der letzten zwei Jahre, innerhalb von 2 Monaten verloren war und sowohl die Leber wieder massiv belastet ist, als auch diverse (neue) Lymphknoten aufgetreten sind.

 

Ich fiel wie 2021 erneut in ein tiefes Loch und fühlte mich unglaublich ohnmächtig, da mein Konzept, welches mich meines Erachtens so weit gebracht hat, scheinbar nicht mehr funktionierte. Das Schlimme bei dieser Krankheit ist, dass man es noch so sehr analysieren kann, aber es gibt keine mathematische Gleichung, kein Geheimnis irgendwo da draussen, welche die Krankheit einfach so heilt. Für mich als ehemaliger Analyst ist das schwer zu verstehen bzw. akzeptieren.

 

Aktuelle Situation

Wo geht es hin, wie geht es weiter? Ich befinde mich nun im Sommer 2021 gefühlt noch mehr an einem Scheideweg in meinem Leben, als durch die Diagnose im April 2019 sowieso schon. Wie lang wird die Chemo mir noch gute Dienste leisten, bis sie (schulmedizinisch hochwahrscheinlich) an Power und Wirkung verliert, da der Krebs schlau ist und sich anpassen kann, sowie Resistenzen bilden. Aus diesem Grund ist es an der Zeit neue Wege zu beschreiten aus einer Position der Stärke. Die letzte Chemo hat wieder gut gewirkt, die Zurückdrängung aller Metastasen ist nahezu maximal. Wiederum viel besser, als die Schulmedizin sich vorstellen konnte. Darum werde ich nun so lang es geht und mit voller Überzeugung den eher spirituellen Weg gehen und meine Seele sanieren, unterdrückte Emotionen aufarbeiten und meine Persönlichkeit zu einem freien Geist ohne weltliche Zwänge entwickeln. Dies werde ich drei Wochen lang in einem Retreat machen mit professionellen Coaches und einer ruhigen Atmosphäre, perfektem Essen und ohne mediale Ablenkung, welches sicherstellt, dass man sich auf das Wesentliche, nämlich sich selbst und die innere Heilung fokussiert. Ich freue mich sehr auf das. Um nach dem Retreat nicht direkt wieder in den weltlichen und medizinischen Alltagsstress zu verfallen, werde ich die angestossene Heilung danach einen Monat (sofern mein Zustand es zulässt) auf einer gefühlt einsamen Insel nachwirken lassen.

 

Fazit

Mir wurde offeriert meine Geschichte hier zu erzählen. Ich habe dann überlegt, ob ich mich einer allfällig grossen Zahl an Menschen «blossstellen» will und ob mein Schicksal überhaupt jemanden interessiert. Ich kam dann zum Schluss, dass es nicht immer nur darum gehen muss, sich mit Erfolgsgeschichten zu übertrumpfen oder lustige bzw. kurzweilige Unterhaltung anzubieten. Nein, mein Antrieb ist es ganz klar einerseits Menschen zu inspirieren, ihnen aufzuzeigen, dass es sich immer lohnt für etwas zu kämpfen, aber ihnen auch zu helfen, ihr eigenes Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und vielleicht die eine oder andere Kleinigkeit über die man sich ärgert doch gelassener zu nehmen. Und schlussendlich möchte ich (ohne erhobenen Zeigefinger) dazu aufrufen der eigenen Gesundheit mehr Raum zu geben, auf seinen Körper zu hören und nicht aus Stolz auf einen Arztbesuch zu verzichten. Gesundes Essen, eine bewusste Lebensweise, Ruhe und eine Fokussierung auf die Dinge im Leben die einen wirklich glücklich machen, kann so viel Leid für einen selbst und das Umfeld ersparen, dass es sich lohnt sich zumindest damit zu beschäftigen. Ich musste es auf die harte Tour lernen, vielleicht hilft meine Geschichte das eine oder andere Drama zu verhindern, auch wenn ich weiss, dass Menschen Gewohnheitstiere sind und meist erst etwas ändern, wenn es (zu) spät ist.

Und wer jetzt noch mitliest und interessiert ist, wie sich mein Leben entwickelt, kann unter folgendem Link (darf gern auch geteilt werden) immer mal wieder Updates erwarten: https://gofund.me/d90b9a5f

 

Ich wünsche allen da draussen von Herzen nur das Allerbeste, viel Glück, Gesundheit und wunderschöne Momente mit ihren Liebsten.

 

Herzlichst

 

Euer René

 

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