Wieso warst du dir 2014 sicher, deinen Job bei Ernst & Young aufgegeben und dich zu 100 Prozent Elephbo zu widmen?
Das waren zwei Faktoren: Der Erste war sicherlich meine Risikofreudigkeit. Ich suche immer neue Herausforderungen, geschäftlich wie auch privat. Dafür braucht man den richtigen Charakter und die Macher-Mentalität. Der Zweite war mein privates Umfeld, wie Familie, Freunde, Freundin sowie auch ehemalige Arbeitskollegen, welche mich durchgehend unterstützten. Positiver Zuspruch ist wichtig, egal welches Hirngespinst man verfolgt. «Negative Vibes » beeinflussen stark und lassen dich zweifeln.
Was gibt dir deine eigene Firma, was du vorher nicht hattest?
Wie jedem Start-up-Gründer gibt die eigene Firma natürlich Freiheit. Doch speziell ist Folgendes: Ich arbeite viel mehr als früher, aber es fühlt sich nicht mehr wie arbeiten an. 24/7 in der Firma präsent sein, ist nun normale Routine. Ich checke an einem Samstagabend noch E-Mails. Früher hätte ich das nie gemacht. Leider ist es aber so schwierig, abzuschalten. Wenn ich beispielsweise in den Ferien bin, kann ich nur selten das Handy weglegen.
Aber nun von Anfang: Wie ist deine ganze Idee entstanden?
2012 absolvierte ich ein Austauschjahr in Hong Kong und war in meinen Semesterferien in Kambodscha unterwegs. Da begegnete ich vielen Leuten und war positiv überrascht. Trotz grosser Armut waren sie sehr gastfreundlich. Auf meiner Reise kam ich dann oft mit den Zementsäcken in Berührung und merkte, wie äusserst robust und wasserfest das Material ist. Bereits damals wurden die Säcke vielseitig vor allem für Bauarbeiten verwendet. Die Idee, diese zu etwas Praktischem und Stylischem umzuwandeln, liess mich dann während meines Trips nicht mehr los. So nahm ich einige Säcke mit nach Hause, und nach zwei bis drei Jahren experimentieren entstanden dann hobbymässig die ersten Prototypen.
Wie ging es weiter?
Der erste Meilenstein kam, als der erste vorzeigbare Prototyp fertig war. Er war das erste Produkt auf dem Markt, welches Zementsäcke mit nachhaltig produziertem Leder verband. Nach positivem Feedback aus meinem Umfeld suchte ich Produktionspartner und kam so in den Kontakt mit einem anderen Start-up aus Zürich – die Firma Biwak, die Taschen aus Recycling-Material herstellte. Gemeinsam produzierten wir die erste Serie in Altstetten. Doch schnell merkten wir, dass eine langfriste Produktion wegen der hohen Kosten nicht rentiert. Über verschiedene Wege entdeckte ich dann einen Familienbetrieb in Bosnien, der meinen Erwartungen und Ansprüchen entsprach. Er ist familiär, loyal und sehr motiviert, neue Sachen auszuprobieren.
Um bei diesem Familiären zu bleiben: Hast du das Flair für Recycling bereits in deiner Kindheit mitbekommen?
Meine Eltern sind keine Umweltaktivisten, aber meine Mutter war schon immer ein Freund von Recycling. Sobald eine PET-Flasche im normalen Abfall landete, gab es einen «Chlapf» auf den Hinterkopf. Wir verwerten lieber Dinge wieder, als sie wegzuwerfen.
Auf dem Markt gibt es bereits einige Unternehmen, die Neues aus Altem machen und Materialien wiederverwerten. Was unterscheidet Elephbo von Kultfirmen wie «Freitag», die Taschen aus recycelten Lastwagenplanen herstellt?
Wir kombinieren verschiedene Komponenten unserer Konkurrenten und machen daraus etwas Einmaliges. Freitag war der Pionier im Bereich Recycling. Hier nehmen wir den Recycling-Aspekt heraus und verwerten nachhaltig alte Zementsäcke zu neuen Produkten. Der nächste Punkt ist die Kombination aus Qualität und praktischem Design. Ich habe viele Unternehmen mit super Ideen getroffen. Wenn ich die Geschichte dahinter aber ignoriert habe, überzeugten mich die Produkte oftmals nicht mehr. Ein Produkt muss auch ohne eine Geschichte bestehen. Dies möchten wir erreichen. Der dritte und letzte Aspekt fliesst von Unternehmen ein, welche sich sozial in Drittweltländern engagieren. Dies inspirierte uns und so beziehen wir unser Hauptmaterial aus Entwicklungsländern und schaffen da faire Arbeitsplätze. Gerade Freitag legt bei der Produktion den Fokus auf die Schweiz. Dies ist ein anderer als unserer – das ist weder besser noch schlechter. Einfach anders.
Was bedeutet für dich «soziales Engagement» oder «faire Arbeitsbedingungen»?
Zu Beginn hatte ich selbst grosse Mühe, diese Frage zu beantworten. Die Menschen in Kambodscha sind zufrieden mit ihrem einfachen Lebensstil. Dadurch war es ein stetes Abwägen, wie wir ihnen etwas zurückgeben können, ohne ihre Kultur oder ihre Lebensart zu verändern. Nach einer gewissen Zeit vor Ort entschied ich mich, den Schwerpunkt vor allem auf regelmässige Aus- und Weiterbildungen zu legen. Wir möchten unsere Mitarbeiter professionalisieren und schafften ihnen so durch den Bau von Hütten einen passenden Arbeits- und Schulungsort. So können sie auch externe Aufträge annehmen und selbstständig ihren Lebensstandard verbessern.
Du arbeitest mit deiner Schwester zusammen. Warum hast du sie als Business-Partnerin gewählt?
Das ergab sich einfach so. Am Anfang war ich wegen Zeitgründen sehr auf die Hilfe des privaten Kreises angewiesen. Dabei engagierte sich meine Schwester von Anfang an. Sie war ständig unterwegs und brachte Materialien von A nach B. So entwickelte sich unsere Partnerschaft von alleine. Unsere Zusammenarbeit baut auf Ehrlichkeit, Vertrauen und Loyalität auf. Ich habe keine Probleme, ihr Zugang zu meinen Daten oder Passwörter zu geben. Mit anderen wäre ich da schon vorsichtiger.
Warst du einmal am Punkt, wo du an dir und deiner Idee gezweifelt hast?
(lacht) Ja, das passiert jetzt noch. Der grösste Zweifel kam damals, als ich meine Anstellung bei Ernst & Young aufgab und für den Geschäftsaufbau ein halbes Jahr nach Kambodscha reiste. Die eigene Skepsis verfolgte mich täglich und kritisches Feedback hielt sich auch nicht zurück. Doch mit der Zeit und den ersichtlichen Erfolgen baute ich ein solides Selbstvertrauen auf und gewann mehr und mehr an Optimismus.
Gibt es nun noch zukĂĽnftige Projekte?
Das auf jeden Fall. Momentan sind zwölf neue Produkte in Planung, welche im Sommer lanciert werden sollen, unter anderem Caps, Rucksäcke und Koffer. Zudem experimentieren wir mit Zementsäcken aus Benin, Südafrika, Nigeria und Myanmar. Diese Projekte brauchen jedoch noch Zeit.
Hast du Tipps für potentielle Start-up-Gründer, über welche du damals froh gewesen wärst?
Erstens: Gehe davon aus, dass du wieder nach Hause ziehen musst (lacht). Der Aufbau eines Unternehmens ist sehr kostenintensiv. Zweitens ist Geduld gefordert. Viele denken, dass sich die Idee nach drei Monaten problemlos verkauft. Es dauert alles bestimmt zehn Mal länger. Der wichtigste Punkt ist aber die Disziplin und das Durchhaltevermögen. Man muss sich am Wochenende hinsetzten, Zeit investieren und weitermachen, auch wenn es stockt.
Dieser Artikel erschien als Erstpublikation beim Brainstorm.
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