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«Auch im Rettungsdienst ist es möglich, flexible Arbeitsbedingungen zu bieten»

Die Arbeit im Rettungsdienst ist sowohl physisch als auch psychisch anstrengend und durch den Schichtbetrieb an feste Einsatzpläne gebunden. Wie gelingt es unter diesen Umständen, neue junge Fachkräfte zu gewinnen – zumal der Generation Z unter anderem ein hohes Bedürfnis nach Flexibilität zugeschrieben wird?

Autorin: Ursula Ammann, Mitarbeiterin Kommunikation Weiterbildung OST

Kasimir Höhener ist seit 14 Jahren im Rettungsdienst tätig, davon drei Jahre in leitender Funktion. Der diplomierte Rettungssanitäter absolvierte den MAS Health Service Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. In seiner Masterarbeit hat er sich mit den Wertehaltungen und Ansprüchen der Generation Z auseinandergesetzt und ist der Frage nachgegangen, welche Relevanz ein generationsbezogener Führungsansatz im Arbeitsalltag des Rettungsdienstes hat. Im Interview spricht er über steigende Einsatzzahlen, Führung auf Augenhöhe und einen kritischen Blick auf das Generationenmanagement.

Kasimir Höhener, mit welchen Herausforderungen kämpft der Rettungsdienst derzeit?

Kasimir Höhener: In den letzten Jahren ist die Zahl der Einsätze kontinuierlich gestiegen. Das hängt einerseits mit dem demografischen Wandel zusammen, denn je älter die Bevölkerung, desto häufiger sind medizinische Notfälle. Andererseits beobachten wir, dass unsere Dienste ganz allgemein mehr in Anspruch genommen werden. Die Hemmschwelle, die 144 anzurufen, ist gesunken. Diesen steigenden Einsatzzahlen gegenüber steht die je nach Region angespannte Personalsituation. Um unser Angebot einer professionellen rettungsdienstlichen Versorgung weiter auf hohem Niveau zu halten und weiterzuentwickeln, werden wir uns stark mit Personalqualifikation und -rekrutierung auseinandersetzen müssen.

Sie sind heute Standortleiter Rettungsdienst bei der Spital Thurgau AG. Rücken Sie selbst noch zu Einsätzen aus?

Mit einem Pensum von 30 bis 40 Prozent leiste ich noch Einsätze im Schichtbetrieb. Das macht mir Freude und hilft mir, Abläufe zu verstehen und Bedürfnisse zu erkennen. Hauptsächlich widme ich mich aber den Führungsaufgaben als Standortleiter.

Ihre Masterarbeit haben Sie zum Thema Generationenmanagement im Rettungsdienst geschrieben. Wie kam es zu dieser Themenwahl?

Im Rettungsdienst arbeiten Menschen unterschiedlicher Generationen zusammen, von jungen Berufseinsteigenden bis hin zu erfahrenen Mitarbeitenden. Der Umgang mit den verschiedenen Erwartungen, Werten und Arbeitsweisen dieser Generationen stellt eine Herausforderung dar, insbesondere in einem dynamischen Arbeitsumfeld wie dem Rettungsdienst. Mit meiner Masterarbeit wollte ich aber auch einen kritischen Blick auf die Generationenfrage werfen, denn dieses Thema wird teilweise sehr emotional und plakativ dargestellt.

«Das Generationen-Thema wird teilweise sehr emotional und plakativ dargestellt.»

 

Kasimir Höhener

Absolvent MAS Health Service Management

Kasimir Höhener
Kasimir Höhener

Sie haben den Fokus auf die Generation Z gelegt, die nun mehr und mehr in den Arbeitsmarkt eintritt. Welche Bedürfnisse hat diese Generation?

Die Generation Z gilt als Gruppe, die grossen Wert auf flexible Arbeitsbedingungen legt, Sinnstiftung und Selbstbestimmung sucht und sich eine Führung auf Augenhöhe wünscht. Die Umfrage, die ich im Rahmen meiner Masterarbeit durchführte, hat jedoch aufgezeigt, dass sich Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Generationen mit diesen Werten identifizieren können und dass man sie deshalb nicht pauschal der Generation Z zuschreiben kann. Vielmehr ist ein allgemeiner Wandel der Ansprüche und Wertehaltungen in der heutigen Arbeitswelt zu beobachten.

Inwieweit ist dies im Rettungsdienst möglich? Ist es nicht gerade dort besonders wichtig, sich an konkrete Einsatzzeiten und an klare Anweisungen zu halten?

Im Rettungsdienst sind fixe Einsatzpläne und Schichtarbeit notwendig, um eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung sicherzustellen. Dennoch ist es möglich, eine gewisse Flexibilität zu gewährleisten. Etwa, indem flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeitarbeit angeboten werden oder die Schichtpläne so weit im Voraus erstellt werden, dass die Arbeitnehmenden Berufs- und Privatleben optimal aufeinander abstimmen können. Zudem sollen sie bei der Planung aktiv mitbestimmen können. Auch die Führung auf Augenhöhe ist im Rettungsdienst umsetzbar. Sie steht nicht im Widerspruch zu den klaren Anweisungen, die im Einsatz bestehen. Es ist an der Zeit, eine moderne Führungskultur zu etablieren.

Was bedeutet die moderne Führungskultur im Arbeitsalltag?

Führungskräfte sollten offen für Feedback sein und die Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse einbeziehen. Transparente Kommunikation, regelmässiger Austausch und Anerkennung sind ebenfalls zentral. Sie fördern das Vertrauen und damit eine gute Zusammenarbeit. Nach diesem Führungsverständnis agieren Führungskräfte nicht als Autorität, sondern vielmehr als Mentorinnen und Mentoren sowie Coaches.  

Welche Massnahmen könnten zusätzlich umgesetzt werden, um die Arbeit beim Rettungsdienst attraktiver zu machen?

Es lohnt sich, noch mehr in die Fachkompetenz der Rettungskräfte zu investieren. Eine professionelle Ausbildung und kontinuierliche Weiterbildung erhöhen das medizinische Wissen und die praktischen Fähigkeiten. Dadurch kann auch die Eigenverantwortung gestärkt werden, was wiederum die Motivation fördert. Neben flexiblen Arbeitsmodellen könnten also gezielte Entwicklungsmöglichkeiten und sinnvolle, wertebasierte Arbeitserlebnisse entscheidend sein, um neue Fachkräfte zu gewinnen.

Welche Erkenntnisse aus Ihrer Masterarbeit nehmen Sie für Ihre Berufspraxis mit?

Meine Masterarbeit hat verdeutlicht, dass man die Generationen nicht klar voneinander abgrenzen kann und das Thema Generationenmanagement differenziert betrachten sollte. Es haben sich generationsübergreifende Werte herauskristallisiert – insbesondere im Hinblick auf den Wunsch nach Sinnhaftigkeit, die Führung auf Augenhöhe und ein wertschätzendes Arbeitsumfeld. Mir ist durch die Recherche noch bewusster geworden, dass man sich als Führungsperson dem Wandel aktiv stellen muss und individuell auf die Mitarbeitenden eingehen soll – unabhängig von ihrem Alter.

MAS Health Service Management

Führungskräfte des Gesundheitswesens müssen in der Lage sein, im typischen Spannungsfeld divergenter Anforderungen von Politik, Betriebswirtschaft und Profession nachhaltig erfolgreich zu agieren. Im interprofessionell ausgerichteten Studienprogramm (MAS) Health Service Management entwickeln die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein vertieftes Verständnis von Führungsaufgaben und branchenspezifischem Management.

Dieser Artikel wurde als Erstpublikation auf weiterwissen.ch veröffentlicht.

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