«Die gewaltige Entwicklung bei den FH ist erfreulich»

Josef Widmer hat praktisch seine ganze Berufskarriere der Berufs- und Weiterbildung verschrieben. Als Vizedirektor beim Staatssekretariat für Bildung Forschung und Innovation ist er seit bald acht Jahren auch wichtige Ansprechperson für Anliegen der Fachhochschulen und ihren Absolvent:innen. Nun geht er in den Ruhestand – und blickt im Interview nochmals zurück und etwas voraus.

Herr Widmer, was waren die markantesten Veränderungen in der Schweizer Bildungslandschaft während ihrer Zeit beim SBFI?

Josef Widmer: Erstens die gewaltige Entwicklung und das Wachstum bei den FH. Das ist erfreulich, für die Schweiz wie für die Berufsbildung. Sie braucht diesen Arm in die Hochschulwelt. Allerdings ergab sich daraus die Herausforderung, die Höhere Berufsbildung (HBB) zu stärken. Viele hatten Bedenken, dass diese durch die Entwicklung der FH ins Hintertreffen gerät. Wir konnten die HBB stabilisieren und auch jenen Personen Perspektiven offenhalten, die – weil sie über keine Matura verfügen – nicht an einer Hochschule studieren können. Die zweite markante Veränderung ist die Digitalisierung, die gerade in den letzten fünf Jahren ein zentrales Thema geworden ist. Sie hat durch Corona nochmals einen grossen Schub erhalten, der zum Glück irreversibel ist. Drittens hat immer wieder die Europapolitik das BFI-System beeinflusst; zunächst 2014 die Masseneinwanderungsinitiative, jetzt das gescheiterte Rahmenabkommen. Man kann immer Lösungen finden, doch ein Schaden für das BFI-System ist trotzdem entstanden.

 

Werden Sie nach Ihrem Abgang beim SBFI der Bildungswelt erhalten bleiben?

Gemäss Plan scheide ich Ende Jahr aus meiner Funktion aus und begleite danach noch einige strategische Projekte bis zum Schluss. Danach werde ich nicht in der Versenkung verschwinden, sondern möchte mein Netzwerk und mein Know-how für interessante Mandate oder Coachings zur Verfügung stellen. Ich fühle mich mit 63 jedenfalls zu jung, um in Rente zu gehen.

 

Sie haben einst das Gymnasiallehrer-Diplom gemacht, waren aber kaum in diesem Beruf tätig, sondern haben rasch in die Weiterbildung und Berufsbildung gewechselt. Weshalb?

Ich habe es nie bereut, dass ich auch eine pädagogische Ausbildung absolviert habe. Aber ich bemerkte bald, dass ich mein Leben nicht an einer Schule verbringen würde. Meine erste Stelle war dann auch in der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen beim Migros-Genossenschafts-Bund Zürich. So bin ich in der Weiterbildung hängen geblieben und war dann 14 Jahre für die Berufsbildung im Kanton Luzern verantwortlich. Der Weg war also: Gymnasium – Weiterbildung – Berufsbildung – BFI-System. Im SBFI konnte ich auf der ganzen Klaviatur spielen.

 

Was bleibt Ihnen aus Ihrer Zeit beim SBFI am prägendsten in Erinnerung?

Highlights waren sicher die SwissSkills 2014 und 2018. Schon bei der ersten DurchfĂĽhrung 2014 sah ich den Stolz in den Augen von Ausbildnern, Verbandsleuten und Jugendlichen. FĂĽr mich ein Zeichen, dass wir das Richtige tun fĂĽr das Selbstbewusstsein unserer Berufsleute.

 

Welche privaten Pläne haben Sie für die Zeit danach?

Diesen Sommer werde ich zum dritten Mal Grossvater. Ich möchte die Zeit mit meinen Enkeln geniessen, solange sie noch nicht zur Schule gehen. Auch kann ich wieder mehr für meine Familie und meine Frau da sein, Reisen und Kultur geniessen. Und mein persönlicher Plan ist es, einmal quer durch die Schweiz zu wandern, auf der Via Alpina von Sargans nach Montreux. Die Schönheit der Berge und der meditative Aspekt des Wanderns haben mich schon immer fasziniert.

 

Das Interview ist im Magazin INLINE, Ausgabe August 2021 erschienen.

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