Autorin: Ursula Ammann, Mitarbeiterin Kommunikation Weiterbildung
Viele sorgen sich doch deshalb, weil ihre vertraute Umgebung sich wandelt. Man hat Angst vor dem, was man nicht kennt, Angst vor der Veränderung. Dabei wird die Tatsache ausgeblendet, dass sich laufend alles weiterentwickelt und die Schweiz schon seit Längerem nicht mehr so ländlich ist wie in der Vorstellung vieler. Der Schweizer Architekt und Herausgeber der Zeitschrift «Hochparterre», Benedikt Loderer, hat es einmal sehr treffend gesagt: Mental fühlen sich immer noch 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung als «Dörfler». Aber vier Fünftel leben in Gebieten mit städtischem Charakter und Angebot.
So wie wir wirtschaftlich und kulturell agieren, sind wir eine verstädterte Gesellschaft. Nur noch die Wenigsten arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft oder Warenproduktion. Und ohne grosses Shopping-, Sport- und Unterhaltungsangebot in der Nähe fühlen sich heute die meisten abgehängt. Am stärksten zeigt sich die ländliche Vergangenheit der Schweiz noch in unseren kleinteiligen politischen Strukturen. Aber das «schöne Dorf», wie 1939 an der Landesausstellung in Zürich zelebriert, gibt es schon lange nicht mehr.
Kursleiter CAS Raumplanung, OST – Ostschweizer Fachhochschule
Nein. Denn mit der ersten Revision des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes 2014 ist die weitere Ausdehnung von Bauzonen praktisch gestoppt worden. Das Wachstum, das jetzt noch ansteht, muss innerhalb der bestehenden Bauzonen stattfinden. Der Bodenverbrauch pro Kopf ist übrigens wegen des begrenzten Angebots an Bauland seither gesunken.
Ein sehr grosses Potenzial bietet die Überbauung von Industriebrachen. Bekannte, bereits realisierte Beispiele sind etwa das Sulzer-Areal in Winterthur oder das neue Quartier rund um die Europaallee in Zürich. Allerdings sind solche Flächen auch in mittleren und kleineren Städten schon nahezu vollständig in Wert gesetzt worden. Nun gilt es, bereits bewohnte Flächen zu verdichten. Etwa, indem man ältere Wohnbauten an zentraler Lage abbricht und damit Neuprojekten mit wesentlich grösserer Kapazität Platz macht.
Diese sogenannte «dritte Entwicklungsmöglichkeit», das «Bauen im Bestand», ist sehr anspruchsvoll. Unter anderem, weil je nach Projekt schnell 20 bis 200 Grundeigentümerinnen und -eigentümer sowie Bewohnende ihre legitimen Interessen geltend machen können. Früher hat man einfach auf der grünen Wiese gebaut. Das hat zwar zur Zersiedelung geführt, aber meist nur wenige Personen tangiert. Die Umgestaltung von Industriebrachen war diesbezüglich schon ein Stück schwieriger, weil es dabei doch schnell um mehrere Grundeigentümer und verschiedene Nachbarn geht. Aber durch das Verdichten in bewohnten Gebieten haben die Herausforderungen nochmals zugenommen. Heute ist deshalb in der Regel mehr als die Hälfte der Planungsarbeit Prozessarbeit. Das heisst, über 50 Prozent besteht aus Verhandeln.
Die Akzeptanz wächst, wenn durch ein Verdichtungsprojekt auch für Be- und Anwohnende Vorteile entstehen. Zum Beispiel, wenn die Umgebung nachher ruhiger und grüner ist, wenn öffentliche Einrichtungen den Ort beleben oder wenn das Projekt ganz allgemein einen Beitrag an die Aufwertung des Quartiers leistet. Eine ebenfalls wichtige Rolle spielt aber auch, dass Planerinnen und Planer mit einer klaren Vorstellung davon, was an diesem Ort grundsätzlich angemessen wäre, in die Verhandlungen gehen.
Zwischen 2020 und 2050 braucht es mit dem heutigen Pro-Kopf-Verbrauch schweizweit etwa 25 Prozent mehr Geschossflächen. Die Frage ist, ob man dieses Wachstum flächig überall verteilt und ein wenig aufstockt, oder ob man konzentriert an den geeignetsten Standorten verdichtet. Also in den Zentren, wo die Infrastruktur für umweltschonenden Verkehr gut ist und wo man weder in schützenswerte Landschaft noch in wertvolle historische Ortskerne eingreifen muss.
Das macht wenig Sinn. Denn damit müssten sie weitere Wege zur Arbeit zurücklegen, im schlechtesten Fall mit dem Auto. Die meisten Arbeitsplätze befinden sich in den grösseren Zentren, weil Firmen sich aufgrund der Agglomerationsvorteile vermehrt dort ansiedeln. Es gilt deshalb, Wohnraum zunehmend in den Zentren zu realisieren statt an der Peripherie. Je eher es gelingt, die Distanzen kurz zu halten, so dass sie zu Fuss oder mit dem Velo bewältigbar sind, desto geringer sind Mobilität, Umwelt- und Klimaschäden sowie Platzverbrauch.
Es macht viel aus, wie viel Geschosse ein Gebäude aufweist. So bietet beispielsweise ein viergeschossiger Bau bei gleicher Grundstückfläche fast doppelt so viel Wohnraum wie ein zweigeschossiger Bau. Ab 30 Metern Höhe gilt ein Gebäude in der Schweiz als Hochhaus. Allerdings stellen Hochhäuser kaum je die geeignetste Form der inneren Verdichtung dar. Wir haben vor einigen Jahren verschiedene Areale untersucht und festgestellt, dass die Dichte einer Blockrandbebauung durch Hochhäuser nur übertroffen wird, wenn sie mindestens etwa drei Mal höher sind. Um also eine 6-geschossige Regelbauweise zu übertreffen, müssen die Wohnhochhäuser mindestens 18 Geschosse oder etwa 60 Meter Höhe haben.
Einfamilienhäuser im Grünen sind nach dem aktuellen Raumplanungsgesetz, ausser in Baulücken, praktisch nicht mehr realisierbar. Ihre Bedeutung nimmt denn auch stark ab. Der Anteil an Wohnraum in Einfamilienhäusern beträgt heute noch etwa 20 Prozent, vor einigen Jahrzehnten waren es noch gegen 50 Prozent. Früher existierte die Vorstellung, dass Wohneigentum nur auf dem eigenen Grundstück realisiert werden sollte. Heute kaufen sich viele eine Eigentumswohnung in ein einem Mehrfamilienhaus – im Stockwerkeigentum, einer Rechtsform, die erst 1969 eingeführt wurde.
Der CAS Raumplanung gewährleistet einen kompakten Einstieg in die Schweizer Raumplanung. Der Zertifikatskurs führt an unterschiedliche raumplanerische Aufgabenstellungen heran. Die Teilnehmenden machen sich in theoretischen Inputs, Beispielen und praktischen Übungen mit der Struktur, formellen und informellen Werkzeugen der Raumplanung vertraut. Sie erlangen Wissen darüber, mit welchen Planungsinstrumenten gefundene Lösungen dokumentiert und gesichert werden können. Der Kurs richtet sich unter anderem an Quereinsteigende, beispielsweise Mitarbeitende aus kommunalen Bauverwaltungen oder Geografinnen und Architekten.