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«Die Schweizer Bevölkerung wohnt zu grosszügig»

In der Ostschweiz ist die Wohnungsnot im Gegensatz zu anderen Regionen kein grosses Thema. Ohne entsprechende Vorkehrungen könnte sich dies aber in Zukunft ändern. In ihrer Masterarbeit haben Nikola Vukovic und Raphael Dietrich den Ostschweizer Wohnungsmarkt genauer unter die Lupe genommen und festgestellt, dass viele Ostschweizerinnen und Ostschweizer bereit wären, ihre Wohnfläche zu reduzieren.

Autorin: Nora LĂĽthi

46.6 m2 Wohnfläche braucht im Durchschnitt jede Person in der Schweiz. In den Ostschweizer Kantonen sogar noch mehr. «Die Schweizer Bevölkerung wohnt zu grosszügig», stellen Nikola Vukovic und Raphael Dietrich, Absolventen des MAS Real Estate Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, fest. Eine Reduzierung der Wohnfläche pro Person könnte den Wohnungsmarkt entlasten und eine zukünftige Wohnungsknappheit vorbeugen.

Befragte sind bereit, Wohnraum zu reduzieren

«In der Ostschweiz ist die Wohnungsknappheit noch kein Problem, wenn man jedoch nichts unternimmt, wird sich die Situation in Zukunft auch hier verschärfen», erklärt Raphael Dietrich, Abteilungsleiter Bauprojekte am Kantonsspital St.Gallen. In ihrer Masterarbeit haben die beiden MAS-Absolventen untersucht, ob es in der Ostschweiz Möglichkeiten gibt, die Wohnflächen zu reduzieren. Anhand einer quantitativen Umfrage in den Kantonen St.Gallen, Thurgau, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden konnten die beiden feststellen, dass es an Bereitschaft nicht fehlt. «Wir haben erstaunlich viele Rückmeldungen erhalten, dass die Leute bereit sind, auf Flächen zu verzichten. Das hat uns überrascht, weil wir davon ausgegangen sind, dass die Leute nicht reduzieren wollen oder können», berichtet Raphael Dietrich.

«Wir haben erstaunlich viele Rückmeldungen erhalten, dass die Leute bereit sind, auf Flächen zu verzichten. Das hat uns überrascht, weil wir davon ausgegangen sind, dass die Leute nicht reduzieren wollen oder können.»

Raphael Dietrich
Absolvent MAS Real Estate Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule und Abteilungsleiter Bauprojekte am Kantonsspital St.Gallen

43 Prozent der 379 Teilnehmenden gaben an, dass sie auf Wohnfläche verzichten könnten, im Durchschnitt auf ganze 15 m2. Vor allem eine Aussage sei in der Umfrage immer wieder gefallen: «Eigentlich brauchen wir nicht so viel Fläche, sie ist halt da». Trotzdem nimmt der Wohnflächenkonsum in der Schweiz jedes Jahr zu. Wenn in den letzten 20 Jahren fünf neue Wohnungen gebaut wurden, dann eine nur deshalb, weil die Schweizer Bevölkerung mehr Fläche beansprucht als notwendig. Von den 43 Prozent, die reduzieren würden, wären 81 Prozent bereit, auf mindestens einen Raum zu verzichten. Besonders häufig wurde das Gästezimmer oder der Hobbyraum genannt. «Das zeigt, dass viele Haushalte ihre Wohnfläche gar nicht vollständig nutzen. Es braucht aber Alternativen, wie beispielsweise ein zentrales Gästezimmer, das im Wohnblock unkompliziert mietbar wäre», erläutert Nikola Vukovic, Projektleiter Bauherr am Kantonsspital St.Gallen.

Aufs Land ziehen, die Städte entlasten

Die Wohnungsnot ist vor allem in den urbanen Zentren ein grosses Problem. Deshalb fragten Nikola Vukovic und Raphael Dietrich in ihrer Studie auch nach der Bereitschaft, in ländlichere Regionen zu ziehen. Es zeigte sich, dass rund 95 Prozent der Teilnehmenden aus Ostschweizer Städten bereit wären, in weniger urbane Gebiete umzuziehen. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Teilnehmenden aus ländlichen Gebieten. Auch sie wären bereit, in noch ländlichere Gebiete zu ziehen. «Die Befragten würden aber nicht ohne Bedingungen umziehen. Es müssten Anreize geschaffen werden, damit die Menschen aus den urbanen Zentren wegziehen», relativiert Raphael Dietrich. Anreize könnten günstige Mieten, niedrige Steuern sowie eine gute Strassen- und ÖV-Anbindung sein.

«Viele Haushalte nutzen ihre Wohnfläche gar nicht vollständig. Es braucht aber Alternativen, wie beispielsweise ein zentrales Gästezimmer, das im Wohnblock unkompliziert mietbar wäre.»

Nikola Vukovic
Absolvent MAS Real Estate Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule und Projektleiter Bauherr am Kantonsspital St.Gallen.

Zu wenige kleine Wohnungen

An der Bereitschaft der Bevölkerung, in kleinere Wohnungen zu ziehen und ihre Wohnungen oder Häuser für grössere Haushalte freizugeben, mangelt es also nicht. Das Problem ist: Es fehlt an kleinen Wohnungen. Zudem sind kleine Wohnungen oftmals nicht günstiger. Nikola Vukovic hält fest: «Niemand gibt eine 4-Zimmer-Wohnung für 1000 Franken für eine kleinere Wohnung auf, die gleich viel oder mehr kostet.»

Dieses Problem ist auch in der Immobilienbranche bekannt, wie die MAS-Absolventen in Experteninterviews feststellen konnten. Für die Immobilienexperten sei flächenoptimiertes Bauen wieder ein grosses Thema, da zu wenig kleine Wohnungen auf dem Markt sind. Einer der befragten Immobilienexperten stellt bereits heute einen neuen Trend fest: der Bau von kleineren Wohneinheiten in der Grösse von 2- bis 3-Zimmer-Wohnungen. Alternativen zu kleinen Wohnungen könnten spezielle Wohnformen wie zum Beispiel «Tiny Houses», also sehr kleine Häuser, sein. Diese stossen bei der Bevölkerung zwar auf wachsendes Interesse, für die befragten Investoren sind diese Nischenprodukte jedoch zu risikobehaftet.

Beitragsfoto: Modellstudie Josei 166 (Tiny House) von Noemi Koller

MAS Real Estate Management

Die Tätigkeit im Immobilienbereich erfordert vielfältige Kompetenzen. Die Bewertung von Grundstücken und Gebäuden spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Entwicklung und Analyse von Neu- und Umnutzungsprojekten oder die Bewirtschaftung von Immobilienportefeuilles. Der MAS Real Estate Management thematisiert sämtliche Aspekte der Immobilienökonomie und vermittelt einen ganzheitlichen Betrachtungshorizont in diesem Bereich.

MAS REAL ESTATE MANAGEMENT

Dieser Artikel wurde als Erstpublikation auf weiterwissen.ch veröffentlicht.

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