Claudia Siebenhaar zum Beispiel hatte eigentlich überhaupt nicht vorgehabt, im ambulanten Pflegebereich zu arbeiten. Dann, während ihres Bachelorstudiums zur diplomierten Pflegefachfrau waren drei Orte für das praktische Lernen vorgegeben: Universitätsspital, Kinderspital, Spitex. «Ich dachte, na ja, dann muss ich wohl zur Spitex, aber zum Glück darf ich zwei andere, interessante Orte kennenlernen.» Claudia Siebenhaar erzählt lachend vom Unerwarteten: «Ich fühlte mich bei der Spitex sofort wohl, lernte enorm viel, vor allem selbstständig zu arbeiten. Rundum war ich positiv überrascht. Ich genoss es, allein unterwegs zu sein. Man muss der Typ dafür sein, aber für mich stimmte es schon beim ersten Einsatz. Weil einem nicht immer jemand auf die Finger schaut, konnte ich meine eigenständigen Erfahrungen machen und herausfinden, wie ich am besten den Zugang zu den Kundinnen und Kunden finde.» Nach dem FH-Abschluss als diplomierte Pflegefachfrau blieb Claudia Siebenhaar bei der Spitex Zürich Sihl, mit wechselnden Aufgaben und Herausforderungen. Ihr Wissensdurst und der ausgeprägte Wunsch, die Arbeit selbstbestimmter planen zu können, motivierten sie zum pflegewissenschaftlichen Masterstudium mit dem Abschluss als Advanced Practice Nurse (APN).
APNs orientieren sich an den neuesten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen und werden bis anhin vorwiegend an städtischen Stützpunkten der Spitex eingesetzt: um die Qualität und das Potenzial der ambulanten Grundversorgung von kranken Menschen und Angehörigen mitzugestalten und weiterzuentwickeln. Immer wieder ist zu hören und zu lesen, die Spitex müsse sich im Vergleich zu früher um komplexere Situationen kümmern, da Spitalpatientinnen und Spitalpatienten seit der Einführung der Fallpauschale im Jahr 2012 möglichst schnell nach Hause entlassen werden. Claudia Siebenhaar meint, die Komplexität der Fälle, mit denen sich die Spitex auseinandersetze, könne nicht allein mit den kürzeren Spitalaufenthalten begründet werden: «Es liegt auch am gestiegenen Ansehen der Spitex, da unsere Kompetenzen und die Professionalisierung vermehrt wahrgenommen werden. Deshalb zögern Ärztinnen und Ärzte immer weniger, die Spitex auch in schwierigsten Konstellationen beizuziehen und zu verordnen.»
Das schön gestaltete Buch zur Spitex enthält Porträts in Text und Bild sowie weitere Kapitel zu Themen wie selbständiges Wohnen, Würde und Selbstbestimmung, Demenz, betreuende und pflegende Angehörige, Palliative Care, Abschied nehmen, Grenzen der Spitexleistungen. Die Kapitel beginnen jeweils mit einer persönlich erlebten Geschichte der Autorin. Dazu gehört auch das Geduldspiel mit der Ananas, das dem Buch den Titel gab: Eine Pflegefachfrau hat der Tochter und Autorin berichtet, dass ihr der schwer kranke Vater eines Morgens von seinem Traum erzählt hatte, in dem er aus gedörrten Ananasstücken ein Puzzle zusammengefügt habe. Die vollständige Geschichte ist im Vorwort zum Buch zu finden, das viele persönliche Erfahrungen und Gedanken von Frauen und Männern der Nonprofit-Spitex enthält, wodurch ihre diskret stattfindende Arbeit öffentlich wahrnehmbar wird.
Pascale GmĂĽr:Â
Puzzeln mit Ananas. Menschen der Spitex erzählen
264 Seiten, Fr. 34.–
Verlag Hier und Jetzt, Baden 2019
ISBN 978-3-03919-477-3
Erhältlich in jeder Buchhandlung oder online.