«Ich gehe mit einem weinenden Auge»

Nach zehn Jahren an der Verbandsspitze hat Christian Wasserfallen Abschied von FH SCHWEIZ genommen. Die Präsidentschaft war für ihn eine Herzensangelegenheit, die er mit grossem Engagement ausfüllte. Nun blickt er zurück und verrät, worauf er besonders stolz ist und wo noch Potenzial besteht.

Er war zehn Jahre lang das Gesicht von FH SCHWEIZ gegen aussen – aber längst nicht nur. Im Nationalrat hat er sich als Kämpfer und Strippenzieher für die Anliegen der Fachhochschulen und deren Absolventinnen und Absolventen verdient gemacht. Im März hat er sein Amt nun an seinen Wunschnachfolger Andri Silberschmidt weitergegeben (siehe Ausgabe vom Februar). Höchste Zeit, um mit Christian auf seine Zeit beim Verband zurückzublicken und diese zu würdigen.

 

Christian, warum war es nun an der Zeit fĂĽr deinen Abschied von FH SCHWEIZ?

Christian Wasserfallen: Ich habe mir diesen Entscheid alles andere als leicht gemacht und habe mir einige Fragen gestellt, etwa: Wie viel Zeit kann ich für FH SCHWEIZ aufwenden und wie viel Gewicht möchte ich auf meine beruflichen Tätigkeiten in der Privatwirtschaft legen? Und welche Konstellationen stimmen? Mit der neuen Legislatur in Bern sind neue, sehr gute Leute ins Parlament gekommen, darunter auch mein absoluter Wunschkandidat für das Präsidium von FH SCWEIZ, Andri Silberschmidt. Deshalb hat es gepasst. Ausserdem sind zehn Jahre eine gute Zeit, um das Zepter weiterzugeben.

 

Mit welchen Gefühlen verlässt du FH SCHWEIZ?

Mit grosser Wehmut. Es ist wie eine Familie, wo man einander immer wieder trifft, wenn auch im letzten Jahr leider weniger. Wir hatten viele Anlässe, auch im Beirat, dort pflegt man Kontakte, sieht, wie sich der Verband weiterentwickelt. In den zehn Jahren ist wahnsinnig viel gegangen, wir haben extrem viel erreicht. Das macht mich stolz. Das gilt auch für das super Team im Vorstand und in der Geschäftsstelle, das immer mitgezogen hat, dahin, wo wir jetzt sind. Deshalb gehe ich vor allem mit einem weinenden Auge.

 

Was macht dich besonders stolz, wenn du heute auf den Verband blickst?

Ganz klar unser politisches Gewicht und unser Einfluss. Am Anfang, als ich in den Beirat kam und etwas später das Präsidium übernahm, waren wir noch nicht dabei bei den Gesetzgebungen, waren noch kein so wichtiger Player, dass wir direkt Einfluss hätten nehmen können. Heute reden wir mit bei den Vernehmlassungen, bringen uns ein und können so auch einiges bewirken. Das Highlight in dieser Hinsicht ist ganz klar, dass wir im HFKG verankern konnten, dass die FH als den Unis «gleichwertige, aber andersartige» Hochschulen anerkannt werden. Die FH waren junge, flügge und ausgewachsene Hochschulen. Bei der Ausarbeitung der Vorlage haben wir diese Haltung konsequent vertreten und waren hier im Lead. Und ich bin überzeugt, dass seither die gesamte Fachhochschulwelt aktiver geworden ist und selbstbewusster kommuniziert. Es sind auch neue Disziplinen bei den Fachhochschulen hinzugekommen, ein Wachstum hat qualitativ wie quantitativ stattgefunden. 

 

Welche weiteren politischen Meilensteine bleiben in Erinnerung?

Zum einen sicher die Hochschulweiterbildung, die wir verankern konnten. Sie ist ein Erfolgsmodell. In unserer Lohnstudie wurde sie gar so positiv beurteilt, dass wir zusehen mussten, wie wir diese im Umfeld der Höheren Berufsbildung positionieren, um nicht zu stark in Konkurrenz zu stehen. Ein weiterer Meilenstein ist der konsekutive Master, der an den FH aufgebaut wurde. Heute ist er selbstverständlich, was er anfangs gar nicht war. Dazu bleibt mir der Kampf für die Koordinationsmodelle mit den Unis für den dritten Zyklus 3. Zyklus (Doktorat, PhD, DBA, …), in Erinnerung. Ich habe noch die Zeit erlebt, als die besten FH-Masterabsolventen an den Unis für ein Doktorat nicht einmal beachtet wurden. Auch hier sind wir heute an einem anderen Punkt.

 

Wie unterscheidet sich Bildungspolitik von anderen politischen Feldern?

Bildungspolitik ist das mit Abstand angenehmste politische Feld. Die Schweiz ist hier sehr erfolgreich, was natürlich hilft. Wir haben keinen grossen Dissens, müssen keine Grundsatzdiskussionen führen. Niemand käme etwa auf die Idee, die Berufsbildung grundsätzlich in Frage zu stellen. Alle sind stolz darauf. Die FH stehen ebenfalls bei allen in der Gunst. Im Gegensatz zu Energie- oder Verkehrspolitik beispielsweise gibt esnicht so klare, harte Grenzen. Nur in der Feinabstimmung, etwa bei der Verteilung der Mittel auf die verschiedenen Bildungsbereiche, wird verhandelt. Aber das ist nichts Grundlegendes. Wie angenehm die Bildungspolitik ist, zeigt sich daran, wie gut man Bundesräte für unsere Sache gewinnen kann. Wir hatten an unseren Anlässen bereits Johann Schneider-Ammann und Guy Parmelin. Das sagt doch einiges. Wir finden stets viele interessante Leute aus allen Parteien und der Wirtschaft, die sich in unserem Beirat engagieren.

 

Gibt es dennoch ein Thema, bei dem du auf besonders starken Widerstand gestossen bist beim Engagement fĂĽr die FH-Absolvent/innen?

Sicher war es und ist es auch bis heute so mit dem 3. Zyklus (Doktorat, PhD, DBA, …). Inzwischen haben wir das Projekt mit den Kooperationen zwischen FH und Unis erreicht. Doch noch immer ist viel Überzeugungsarbeit nötig. Deshalb ist auch das Dossier «FH als Arbeitgeber» wichtig, welches aufzeigt, wie wenig FH-ausgebildete Leute an FH unterrichten und arbeiten. Will man das FH-Profil in der Forschung und Lehre bewahren, ist es ja nur logisch, dass diese einzigartige Verbindung von Praxis und wissenschaftlicher Vertiefung bis in den dritten Zyklus gepflegt wird und so wieder zurückfliessen kann. Ausserdem gibt es viele Fachgebiete und Disziplinen, wo es bei den universitären Hochschulen schlicht kein Äquivalent gibt. Dort sind also Kooperationen gar nicht möglich. Ich bin überzeugt, dass der dritte Zyklus für FH kommt, vielleicht in fünf Jahren, vielleicht auch schon früher. Und ein Dossier, das sehr viele Widerstände ausgelöst hat, war die Frage nach dem Professional Bachelor. Anfangs waren wir die einsamen Rufer in der Wüste gegen diese Vermischung von Titeln, die einen klar berufsbildnerischen Hintergrund haben, mit Hochschultiteln. Inzwischen ist das zum Glück nicht mehr so.

 

Hättest du im Rückblick auch mal etwas anders gemacht? 

Im Nachhinein ist man ja immer gescheiter. Vermutlich hätte ich etwas früher mehr Gewicht auf die Romandie gelegt. Die internationale Vernetzung ist auch so ein Punkt. Da konnten wir ja bereits einen Anlass in Berlin durchführen. Im Vorstand hat man anfangs etwas Zeit gebraucht, um sich in der neuen Ressortstruktur einzufinden. Das ist organisch gewachsen und funktioniert heute gut.

 

Du bist seit zehn Jahren das Gesicht von FH SCHWEIZ. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass du Präsident wurdest?

Erst kam eine Anfrage von Toni Schmid, ob ich im Beirat mitwirken wolle. Für mich passte das sehr gut. Ich arbeitete damals für die Berner Fachhochschule als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für mechatronische Systeme (ifms). Dadurch hatte ich viele Insights. Ich konnte dort im Institut – so wie man das von einer FH erwartet – mit der Industrie auf Augenhöhe zusammenarbeiten und wir beantragten im Rahmen der Projekte Patente. Kaum war ich im Beirat, wurde ich schon bald für das Präsidium angefragt. Kurz danach wurde ich Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) im Nationalrat – perfekte Kombination.

 

Stichwort WBK: Wirst du weiterhin als Bildungspolitiker wahrgenommen werden? Oder werden fĂĽr dich andere Themen nun in den Vordergrund rĂĽcken?

Ich bleibe selbstverständlich den Positionen und Ideen von FH SCHWEIZ verbunden. Ich verbleibe in der WBK. Wenn Anfragen von FH SCHWEIZ zu verschiedenen Dossiers kommen, sind die Türen offen. Doch die Infrastruktur- und Verkehrspolitik sowie die privatwirtschaftlichen Tätigkeiten werden künftig Schwerpunkte bilden.

 

Was gibst du Andri mit auf den Weg als neuer Präsident von FH SCHWEIZ?

Andri hat selber schon sehr viele eigene Erfahrungen gemacht, mit der Berufsbildung, als Unternehmer und im Nationalrat. Er hat beste Voraussetzungen. Er braucht keine Tipps. Eine Herausforderung bei FH SCHWEIZ als sehr heterogenem Verband ist es, auf die verschiedenen Interessen einzugehen. Ich bin überzeugt: Mit der guten Konstellation im Vorstand und in der Geschäftsstelle ist er der Richtige auf diesem Posten – eine Granate.

 

Durch den Wegfall dieses Amts wird bei dir Zeit frei. Ist diese schon wieder verplant?

Nein, die ist nicht verplant. Ich hatte seit dem Legislaturwechsel zwar schon einige Anfragen für andere Dinge. Doch bisher habe ich sie alle nicht positiv beantwortet. Ich möchte wie erwähnt im unternehmerischen Bereich wieder aktiver sein, dazu bringt die derzeitige Lage bereits viele Herausforderungen für meine jetzigen Mandate. Da werde ich also in nächster Zeit mehr als gefordert sein. 

 

Und Christian Wasserfallen als Politiker allgemein? Du bist bereits seit 2007 Nationalrat, sehr profiliert und bekannt, trotzdem noch jung. Was sind deine derzeitigen Ambitionen?

Vorläufig bleibt es beim Nationalrat. Man kann dort sehr viel mitgestalten – gerade in der Coronakrise war es noch sehr viel mehr als üblich, weil nicht alle Lösungen so überzeugend waren. Bekanntlich hatte ich 2017 für den Berner Regierungsrat kandidiert, wurde aber nicht nominiert. Ob eine solche Chance nochmals kommt, wird sich weisen. Im Nationalrat gibt es viel zu bewegen. Es ist immer spannend und man kann stets mitgestalten. Langweilig wird es mir da keinesfalls. 

 

Was wirst du an FH SCHWEIZ vermissen?

Ganz allgemein die tolle Stimmung und Zusammenarbeit im Verband und die sensationelle Arbeit der Geschäftsstelle. Was mir besonders schön in Erinnerung bleibt und ich entsprechend vermissen werde, war die einmal jährlich stattfindende Vorstandsklausur.  Wir haben uns dazu jeweils an einem speziellen Ort getroffen, inklusive einer Übernachtung. Das liess auch Raum für persönliche Gespräche und eine, zwei, drei … Flaschen Wein am Abend. Sowas schweisst zusammen und hat uns im Vorstand nähergebracht. Dies erlebt man sonst eher weniger. Üblicherweise ist der Vorstand eher eine nüchterne Arbeitsgemeinschaft.

 

Dieses Interview erscheint auch im Magazin INLINE von Mai 2021.

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