Jetzt will er die Seniorenresidenzen der USA erobern

Mit seinen intelligenten Sturzmeldern will der Luzerner Sandro Cilurzo nun den amerikanischen Markt erobern. Dieser passt für sein Produkt perfekt. Dabei musste er auch im global versierten Silicon Valley schon erklären, dass er nicht in Stockholm wohnt.

Zusammen mit seiner heutigen Frau und einem Freund gründete Sandro Cilurzo 2019 das Startup Sedimentum. Ihr Produkt: Ein Gerät, etwas grösser als ein Rauchmelder, das mittels Radiowellen und einer KI-Software – und ganz ohne Kamera oder Mikrofon – private Räume diskret überwacht und Stürze sowie Unregelmässigkeiten erkennt und meldet. Nach dem Start ging es steil aufwärts, Sandro Cilurzo erschien in der Schweizer Forbes-Liste 30 under 30. Der Aufbau der Firma lief rasch, 2021 folgte eine überzeichnete Investorenrunde. Auch die schwierige Coronakrise, die gleich nach der Gründung zum dümmsten Zeitpunkt kam, wurde überwunden.

Nun haben die Jungunternehmer den nächsten Schritt gewagt: Vor einigen Monaten gründeten sie in San Francisco die Tochtergesellschaft Helpany – ein Name zusammengesetzt aus «Help», also «Hilfe» und «any», was «für alle» steht. Er soll das Produkt besser umschreiben und wurde deshalb auch in der Schweiz als neuer Brandname eingeführt. Gleichwohl ist im Heimmarkt die Wachstumsdecke erreicht, wie der 33-Jährige erklärt. «Wir wussten von Anfang an, dass der Schweizer Markt nicht ausreichen würde und wir irgendwann in die USA möchten.» Als weltweit grösster Binnenmarkt, der zudem sehr homogen ist, biete das «Land der unbegrenzten Möglichkeiten» ideale Voraussetzungen.

Sandro und seine Frau Eugenie Nicoud – sie leitet seit Beginn als COO das Operative, ziehen nun auch privat innert der nächsten Monate nach San Francisco. Vor Ort und in unmittelbarer Nähe zum Silicon Valley soll das Amerika-Geschäft weiter vorangetrieben werden. Im Gegensatz zur Schweiz, wo der Fokus auf Privatkunden liegt, sind es in den USA eher institutionelle Abnehmer. Auf der Website ist unter den Referenzen etwa eine christliche Non-Profit-Organisation in Arizona aufgeführt, die sogenanntes Senior Assisted Living anbietet und auf die Dienste von Helpany zählt. Organisationen wie diese sind es, mit denen auf einen Schlag viele potenzielle neue Endkunden erreicht werden können. «Unsere Schweizer Privatkunden betreuen wir selbstverständlich weiter», so Cilurzo.

 

Unabhängigkeit schon lange geplant

Auch der Hauptsitz bleibt nach wie vor in Cham, die Produktion im Tessin. Das Kernteam um die Gründer stammt aus dem Raum Luzern, wie Sandro hat auch Eugenie Nicoud hat an der Hochschule Luzern (Wirtschaft) studiert. «Wir haben schon früh miteinander zusammengearbeitet.» Und gearbeitet wurde während des Studiums bereits eifrigt, beide haben dieses berufsbegleitend absolviert. Für Sandro ein bewusster Entscheid: «Bereits meine KV-Lehre war für mich ein bewusster Schritt in die Unabhängigkeit.» Auch im Informatik-Studium habe er die Eigenständigkeit bewahren wollen. «Und man profitiert einfach extrem von der direkten Wechselwirkung zwischen Studium und Anwendung.»

In den letzten zwei Jahren haben er und sein Team nun ihre Expansion vorbereitet: den US-Markt analysiert, Kontakte geknüpft, sich potenziellen Kunden vorgestellt. Genügend Zeit, um sich auch mit der Kultur vertraut zu machen. Etwa die tief verankerte Haltung, dass Scheitern auch für Unternehmer Teil eines Lernprozesses sind. Überhaupt werde das Unternehmertum dort regelrecht gefeiert. «Wenn ich sage, dass ich «Founder» bin, wird das immer gleich beglückwünscht und bewundert.» Ein dankbares Umfeld.

 

Die Show für die Amerikaner

Trotzdem wartet im Silicon Valley niemand auf Startups aus der Schweiz. Kunden musste auch Sandro erst überzeugen. Umso wichtiger, dass die Show stimmt. Dazu nutzt er den Vorteil eines physischen Produkts. «Ich habe immer eines dabei und hole es während der Präsentation hervor.» «Dann macht es Klick und die Kunden realisieren, dass das Gerät real ist», erzählt Sandro lachend, «das funktioniert jedes Mal».

Eine erstaunliche Erkenntnis wirkt sich zum Vorteil des Schweizer Startups aus. So zeigte sich bald, dass Entwicklung und Produktion in der Schweiz ein entscheidender Vorteil sind. «Das wurde uns erst in den USA richtig bewusst.» Einerseits sind es die sprichwörtlich kurzen Wege, andererseits ist eine Hardware mit dem Prädikat «Made in Switzerland» auch in den USA ein starkes Qualitäts-Argument.

 

Schweden, pardon Schweiz als «Tieflohnland»

«Und gerade in unserer Kernkompetenz KI sind wir in der Schweiz vergleichsweise kosteneffizient», so Sandro weiter. Wie bitte? Er erkärt: «Der KI-Hype in den USA sorgt dort für einen noch verschärfteren War for Talents.» Der unstillbare Durst nach Softwareentwicklern der Tech-Konzerne im Silicon Valley treibt dort die Löhne in ungeahnte Höhen. «In der Schweiz profitieren wir von guten Hochschulabgängern bei tieferem Lohnniveau.» Auch Amerikaner haben schon darüber gestaunt, so habe jemand schlicht kommentiert: «So you have cheap labour.» Übersetzt: «Ihr habt also billige Arbeitskräfte.»

Überrascht war Sandro auch, dass gewisse Klischees sich eben doch immer wieder bestätigen. Während eines Gesprächs über Europa und die Schweiz fragte ihn jemand: «So do you live in Stockholm?» Sandro muss schmunzeln. «Das hat mich schon ein wenig erstaunt, es war schliesslich eine durchaus gebildete Person.» Die Schweiz sei halt einfach zu klein und im globalen Markt nicht sehr bedeutend.

Über alles hinweg aber dominiert die Begeisterung für den amerikanischen Spirit. Für die Jungunternehmer ist der private Umzug an die Westküste auch ein Commitment. «Die Amerikaner haben einen grossen Nationalstolz und schätzen das.»

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