Warum KI-Bilder nichts mit Fotos zu tun haben

Linda Pollari ist Berufsfotografin und beobachtet gespannt, wie sich die KI-Bilderzeugung entwickelt. Angst um ihren Job hat sie nicht. Aus einem recht simplen Grund.

Zur Fotografie fand Linda Pollari eher zufällig. «Als Teenager musste ich mich gefühlt viel zu früh für eine Berufslehre entscheiden und erhielt eine Lehrstelle in einem Fotofachgeschäft, weil mir das zusagte.» Daneben absolvierte sie die Berufsmatura. Weil ihr Umfeld vom «brotlosen» Job als Fotografin abriet, besuchte sie danach ein Vorpraktikum für die Hochschule Soziale Arbeit. Während jener Arbeit mit Patienten entdeckte sie wieder ihre Liebe zum Kreativen und bewarb sich kurz entschlossen für einen Studienplatz an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). «Ich dachte nie, dass ich das mehrstufige Aufnahmeverfahren bestehen würde.»

Zu ihrer Überraschung klappte es mit dem Studiengang Bachelor in Medien und Kunst, Vertiefung Fotografie. Im Studium stand die künstlerische Auseinandersetzung mit der Arbeit stärker im Fokus als das Handwerk selber. «Ich konnte davon persönlich profitieren und mich weiterentwickeln.» Das ursprüngliche Ziel einer handwerklich versierten Berufsfotografin hat Linda inzwischen längst erreicht.

Sie bewegt sich heute in einem Umfeld, in dem intelligente Programm täuschend echte Bilder produzieren. Wie geht sie damit um? Ein offenes Gespräch:

Wie hat sich deine Arbeit in letzter Zeit verändert?

Ich mache vor allem Porträts und Reportagen. Die handwerkliche Arbeit bleibt gleich, aber ich  profitiere von intelligenten Programmen für die Bildbearbeitung. Einen Hintergrund abändern, einzelne Objekte entfernen oder Störfaktoren ausblenden, das geschieht mittlerweile per Mausklick. Früher war das Handarbeit.

Existenzängste kennst du also nicht?

Nein, in einer kreativen Branche kann das Handwerk nie ganz von der Maschine übernommen werden. Ein wichtiger Punkt ist: Ich gebe mit meinen Bildern die Realität wieder. Wenn ich von einer Redaktion den Auftrag erhalte, eine bestimmte Person zu porträtieren oder eine Reportage zu begleiten, dann muss ich vor Ort gehen. In anderen Bereichen könnte das anders aussehen.

In welchen?

Grundsätzlich überall, wo es nicht ein Realitätsabbild sein muss. Dort können zumindest Teile eines Bildes aus der Fotografie mit KI-generierten Elementen kombiniert werden. Im Kunstbereich eröffnen sich spannende neue Möglichkeiten. Symbolbilder, also Stockfotos, können viel effizienter erstellt werden. Auch die Werbe- und sogar die Modebranche kann freier eingreifen, da keine eigentliche, oder nur eine verzerrte Realität gezeigt wird. In der Modewerbung muss beispielsweise ein Model nicht zwingend echt sein, sondern nur die Kleidung, die es trägt.

Du sprichst auf die Werbekampagne der Modekette Mango an.

Diese hat eine Kontroverse ausgelöst. Mango hat eine Diskussion angestossen. Ich stelle mich hier ebenfalls auf den Standpunkt, dass sie damit nicht wirklich ein Tabu brechen. Werbung hat nicht den Anspruch, die Realität oder die Norm abzubilden. Das war auch bisher so. Man kann argumentieren, dass man mithilfe neuer Methoden auch nachhaltiger wird, wenn für ein Shooting nicht in der Welt umhergeflogen wird. Aber es wird Gesetze brauchen, was wo noch erlaubt ist. Deshalb ist die Diskussion wichtig.

Und wie hältst du es mit der Ethik, also dass eine Software Bilder eines unrealistischen Ideals erschafft, das junge Menschen unter Druck setzt?

Diese Diskussion hat nicht direkt mit der neuen Technologie zu tun. Auch heute werden Bilder in der Modebranche derart stark bearbeitet und retuschiert, dass sie keine Realität zeigen. Zudem werden die neuen Anwendungen mit bestehenden Daten von uns trainiert und geben jene «perfekten» Bilder wieder, die wir vorher bereits produziert haben. Das Problem ist letztlich von uns selber verursacht.

Wie gehen Berufskollegen aus den genannten Berufszweigen mit der neuen «Gefahr» um?

Ich kann ein Beispiel nennen: eine ehemalige Lehrtochter von mir, die heute als Fotografin in der Werbebranche arbeitet, hat überhaupt keine Angst, wie sie mir neulich erzählte. Echte Fotografien als Ausgangsstoff werden weiterhin nachgefragt, auch wenn es vereinzelt Ausnahmen gibt. Die Jobs in der Bildbearbeitung aber verändern sich stark.

Hast du persönlich nicht Mühe damit, wenn Fotos künstlich erzeugt werden?

Das wird zur neuen Normalität. Ich beobachte das eher interessiert. Wir sollten uns aber Gedanken machen, was wir noch als Fotografie, also als «Lichtzeichnung» bezeichnen wollen. Für mich gibt es keine Diskussion: KI-Bilder sind keine Fotos. Das ist eine rein technologische Frage. Die Fotografie hat zwar bereits einen grossen Wandel durchgemacht. Doch egal ob analoge oder digitale Fotografie, ob mit Spiegelreflexkamera oder mit Handy: Licht fällt dabei auf einen lichtempfindlichen Träger, wodurch ein Bild erzeugt wird. Für ein KI-generiertes Bild wird ausschliesslich bestehendes, digitales Ausgangsmaterial verwendet.

Eine andere Disziplin sozusagen.

Ja, und ich glaube daher auch, dass KI-Bilder die Fotografie nie vollständig ersetzen werden. Das Resultat mag konkurrieren, aber am Ende sind es zwei verschiedene Technologien. Das eine ist das Abbild von Realem, das andere die Neuberechnung aus bestehendem Material.

Was hältst du persönlich von KI-generierten Bildern?

Wenn ich KI-Personenbilder betrachte fällt mir auf: Der Blick der Models ist nicht lebendig und zielt irgendwo ins Leere. Ich sehe den Unterschied also vor allem an den Augen, im Blick. Ich kann mir vorstellen, dass auch solche Unterschiede irgendwann kaum noch sichtbar sind.

Was heisst das für dich?

Es spornt mich als Fotografin an, Bilder zu machen, die lebendig und realistisch sind. Ein reales Foto lebt auch von den äusseren Einflüssen, von der Interaktion, von Stimmungen, vom Wetter. Ich habe zudem meine persönliche Handschrift. Eine KI kann zwar vieles nachbilden, allerdings wirkt das bis heute beliebig und austauschbar. Da heben wir Fotografen uns schon deutlich ab.

Auch die «Scheiss-Seite» gehört zum Menschen

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