
Nach einem EFZ als kaufmännischer Angestellter im Versicherungsbereich setzte Raphaël sein Studium an einer Fachhochschule fort, weil er den praktischen Aspekt dem theoretischen Ansatz vorzog. Der berufsbegleitende Bachelor in Wirtschaftsrecht an der Hochschule Arc (HE-Arc) in Neuenburg schien ihm eine logische Fortsetzung seines Werdegangs. Er entwickelte rasch ein reges Interesse für dieses Fachgebiet und insbesondere für die Compliance. «Die HE-Arc zeichnet sich durch eine praxisorientierte Ausbildung aus, was auf dem Arbeitsmarkt von grossem Vorteil ist», so Raphaël. Die Lehrpersonen, oftmals Berufstätige, trügen dem Unterricht eine konkrete Dimension bei. «Darüber hinaus fördern die kleinen Klassen – im Vergleich zu den Uni-Hörsälen – die Interaktion und eine gewisse Gruppendynamik», führt Raphaël weiter aus.
Neben seinem Studium und einer Teilzeitstelle bei einer Versicherungsgesellschaft ist Raphaël begeisterter Short-Track-Läufer. Zusätzlich zum Training nutzt er die freie Zeit zwischen den Vorlesungen, um in der öffentlichen Eishalle zu trainieren. Nach seinem Abschluss stösst er auf eine Stellenanzeige der Vaudoise Versicherungen, wo er sich auf eine Stelle in der Compliance bewirbt – der Fachbereich also, in dem er sich schon immer beruflich betätigen wollte. Heute ist Raphaël als Legal & Compliance Officer tätig und widmet gleichzeitig einen Grossteil seiner Freizeit dem Short Track.
Short Track ist eine Eisschnelllaufdisziplin, die auf Standard-Eishockeyflächen gelaufen wird. Bis zu acht Athletinnen oder Athleten treten auf einer 111,12 Meter langen Strecke gegeneinander an und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h bei einem Neigungswinkel von fast 60 Grad. Wer zuerst über die Ziellinie fährt, gewinnt. Short Track entstand Anfang des 20. Jahrhunderts, um mehr Indoor-Trainingsmöglichkeiten zu schaffen, da die Infrastruktur für Langstrecken nicht ausreichte. Short Track war 1988 an den Olympischen Winterspielen in Calgary (CAN) als Demonstrationssport dabei und gehört seit 1992 fest zum olympischen Programm.
Als erfahrener Athlet hat sich Raphaël in dieser Sportart einen Namen gemacht. Er ist technischer Direktor des Eislaufclubs Lausanne und Malley sowie des Westschweizer Eiskunstlaufverbands, zu dem verschiedene Disziplinen wie Eiskunstlauf, Synchroneiskunstlaufen und Eisschnelllauf gehören. Darüber bekleidete er als Mitglied des Organisationskomitees der Olympischen Jugend-Winterspiele 2020 in Lausanne die Rolle des Sportmanagers im Short Track.
Raphaël startete seine Karriere auf dem Eis mit Eishockey, das er 20 Jahre lang praktizierte. Als er im Val-de-Travers in Neuenburg in der 2. Liga beim EC Fleurier spielte, hörte er von einer neuen Einzelsportart in Lausanne: Short Track. Er probiert die neue Sportart aus, obwohl sich die Lauftechnik vom Eishockey gänzlich unterscheidet. Auf einmal hiess es für Raphaël jeden Tag trainieren, anstatt zwei oder drei Hockeytrainings pro Woche.
Die Trainingseinheiten sind intensiv und umfassen etwa 45 Minuten Aufwärmübungen, bevor es für anderthalb Stunden aufs Eis geht. «Anfangs ist es frustrierend, weil man das Gefühl hat, gar nicht mehr eislaufen zu können», sagt er. Im Gegensatz zu normalen Schlittschuhen sind die längeren Short-Track-Kufen nicht mittig, sondern seitlich verstellbar angebracht und in Kurvenrichtung gebogen. Das wirkt sich auf die Stabilität aus. Seine Bemühungen haben sich gelohnt, er hat schon einige Titel gewonnen. Aktuell ist sein Ziel, sich zum 3. Mal für die Europameisterschaften sowie für die in Europa stattfindenden Weltmeisterschaften zu qualifizieren.
Short Track hat in der Schweiz grosses Potenzial. «Mit unserer Wintersportkultur und den zahlreichen Eisbahnen bieten wir einen idealen Rahmen, um die Sportart weiterzuentwickeln und neue Talente zu trainieren», sagt Raphaël Moret. Noch hat keine Schweizer Athletin oder Athlet das Land in dieser Disziplin bei den Olympischen Spielen vertreten, obwohl die Disziplin seit 1992 olympisch ist. Das könnte sich ändern, denn es sind neue Vereine in Schaffhausen, Zürich, Davos, Basel und Lausanne entstanden.