Was willst du lieber vor deiner Wohnung? Sonnenlicht oder einen Baum?

Der Sommer in der Stadt wird immer heisser (wenn er gerade nicht total verregnet ist). Klimaanpassung heisst die Lösungen, wenn man nicht auf Klimaanlagen zurückgreifen will. Doch Klimaanpassung braucht Zeit. Viel Zeit. Warum, erklärt uns ein junger Raumplaner.

Benjamin Tim Klaus (24) hat soeben sein Studium zum Raumplaner an der Fachhochschule OST in Rapperswil abgeschlossen. Er erklärt, warum wir den Eindruck erhalten, der Städtebau reagiere nicht auf den Klimawandel. Und er weiss, was zu tun wäre und wo die Probleme lauern. Ein Gespräch über Klimaanpassung in Schweizer Städten – und über die Wirkung von Bäumen.

Leidest du unter der Sommerhitze?

Ja ich leide stark darunter, gerade wenn ich bedenke, dass ich Mitte 20 und körperlich fit bin. Ich möchte nicht wissen, wie es ist, wenn ich älter werde und die Sommermonate noch heisser. Ich merke auch im Gespräch mit älteren Menschen, dass sie mit der zunehmenden Sommerhitze wirklich Mühe haben.

Trotzdem sind unsere Städte oftmals immer noch Betonwüsten, die sich den steigenden Temperaturen kaum anpassen. Weiterhin wird bei Neubauten munter Boden versiegelt.

Die Sensibilisierung für das Thema ist schon da. Man weiss sehr gut, dass so viele versiegelte Flächen nicht gut sind fürs Stadtklima. Die Planungshorizonte für grosse Projekte sind aber nun mal sehr lang, wir reden von 20 Jahren. Deshalb spüren wir die Wirkung von Massnahmen noch kaum. Dazu sind die Herausforderungen in Städten sehr komplex.

Warum pflanzen wir nicht mehr Bäume? Die bringen doch viel, nicht?

Bäume pflanzen bringt wirklich sehr viel. Je grösser die Baumkrone, desto grösser die Kühlwirkung. Dieser Kühleffekt ist deutlich grösser als bei einem Sonnenschirm. Im Unterschied dazu aber verdunstet der Baum Wasser und kühlt daher deutlich stärker. Zudem wandeln Bäume das Treibhausgas CO2 in Sauerstoff um, was auch dem Klimawandel entgegenwirkt. Dazu gibt es in Städten einen weiteren Vorteil.

Das wäre?

Ein Baum funktioniert wie ein Schwamm und kann viel Wasser aufnehmen. Bei einem Gewitter entlastet dies die Kanalisation und kann so helfen, Extremereignisse abzufedern. Nur ist es eben nicht leicht, einfach Bäume zu pflanzen in der Stadt.

Wegen des Platzmangels?

Genau, in erster Linie ist es eine Platzfrage. Um einen Baum zu pflanzen benötigen wir mindestens sechs Quadratmeter Fläche. Unsere Schweizer Städte sind sehr eng bebaut, wir haben eine der schmalsten Strassenbreiten in Europa. Oberirdisch haben wir den Kampf um die Flächen zwischen ÖV, Auto-, Fuss- und Veloverkehr. Unter der Erde haben wir die Leitungsnetzwerke, etwa für Strom und Wasser, die Kanalisation und Tiefgaragen. Das macht die Sache sehr komplex und herausfordernd.

Als Raumplaner musst du dazu doch Lösungen finden.

Lösungen gibt es. Am Schluss ist es eine Abwägung, was wo wichtiger ist. Ich sehe es als unsere Aufgabe, das Potenzial aufzuzeigen. Dabei müssen wir uns aber an den Menschen orientieren, die dort leben und den Raum nutzen. Ich nenne sie die «Expertinnen und Experten des Alltags.» Was benötigen sie, wo liegen ihre Prioritäten? Es sind demokratische Prozesse, die über öffentlichen Raum entscheiden. Deshalb läuft das meiner Meinung nach nur über Partizipation. Die Nutzer sollen mitentscheiden. Wir zeigen Möglichkeiten auf.

Und diese wären?

Eine Patentlösung gibt es eben nicht, weil der Platz beschränkt ist. Meiner Meinung nach müssen wir noch mehr experimentieren und Denkansätze aufzeigen. Sperren wir zum Beispiel ein Stück Strasse, gestalten es um, stellen Baumkübel auf und schaffen eine Begegnungszone. Vielleicht merken wir dann, dass wir doch mit etwas weniger Strasse auskommen, wenn wir dadurch mehr Lebensqualität gewinnen. Dies braucht natürlich viel Mut. Aber uns bleibt kaum etwas anderes übrig. Die öffentlichen Flächen sind grösstenteils Verkehrsflächen. Und beim Autoverkehr ist es nun mal so, dass dieser extrem viel Platz braucht.

Verdichtung wird in den Städten gefördert. Wirkt das einer klimaangepassten Stadt entgegen?

Verdichtetes Bauen wirkt der Klimaanpassung entgegen, das stimmt. Heute gibt es vielerorts grosse Grenzabstände gegen Süden, die zu möglichst viel Besonnung führen sollen. Besonnung ist zwar schön. Im Sommer aber auch heiss. Diese Grenzabstände verhindern das Pflanzen von Bäumen auf privatem Grund. Deshalb frage ich mich: Wollen wir wirklich überall mehr Sonne, wenn es immer wärmer wird? In diesem Sinne glaube ich, Verdichtung ist auch mit vielen Bäumen möglich, allerdings sind gesetzlich gewisse Anpassungen nötig und die Prioritäten müssen anders gesetzt werden.

Du vertrittst eine junge Generation, die für das Thema Klimaveränderung sensibilisiert ist. Wie nimmst du den Generationenkonflikt «Boomer vs. GenZ» wahr?

Ich glaube der Konflikt wird heraufbeschworen, vor allem in der Politik und in den Medien. Ich bin überzeugt, dass man zusammensitzen und alle ins Boot holen muss. Gerade die ältere Bevölkerung, die stärker unter der Hitze leidet, kann von raschen Massnahmen profitieren. Die junge Generation sowieso, weil es die Zukunft und ihr Leben betrifft. Ich bin auch der Meinung, dass wir deutlich besser zusammenarbeiten, als das gerne dargestellt wird. Mit gegenseitigem Verständnis kommt man weiter. Hier sehe ich auch kein Problem.

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