Autorin: Ursula Ammann
Die Wetterstation in Genf Cointrin hat am vergangenen Donnerstagnachmittag über 38 Grad gemessen und damit bisherige Temperaturrekorde in den Schatten gestellt. Doch auch in der Ostschweiz kletterte das Thermometer in der zweiten Augusthälfte während Tagen über 30 Grad. Solch starke und lange Hitzeperioden sind längst keine Seltenheit mehr. Laut den Prognosen werden sie aufgrund des Klimawandels künftig noch häufiger.
Die Bevölkerung in Städten und in der dicht bebauten Agglomeration bekommt die Hitze dabei stärker zu spüren als jene im ländlichen Raum. Denn die vielen versiegelten Flächen – Strassen, Plätze, aber auch die Gebäue selbst – speichern Wärme und geben sie nach und nach wieder an die Umgebung ab. Fehlen ausgleichende Winde sowie Kaltluftentstehungsgebiete wie Wälder, Wiesen und Gewässer, führt das darüber hinaus dazu, dass die Luft über Nacht nicht mehr richtig abkühlen kann. Dies verstärkt den Effekt der Hitzeinseln.
Die gute Nachricht ist: Es gibt Massnahmen, um die Entstehung solcher Hitzeinseln zu reduzieren. Dabei spielen Bäume und Grünflächen eine wichtige Rolle. «Sie sind natürliche <Klimaanlagen>», sagt Susanne Schellenberger, Projektleiterin Klima am ILF Institut für Landschaft und Freiraum an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. «Bäume schaffen Abkühlung, indem sie Schatten spenden und Wasser verdunsten lassen. Zudem erhöhen attraktiv gestaltete Grünflächen die Aufenthaltsqualität für Menschen – und sie können einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten.»
«Bäume schaffen Abkühlung, indem sie Schatten spenden und Wasser verdunsten lassen. Zudem erhöhen attraktiv gestaltete Grünflächen die Aufenthaltsqualität für Menschen – und sie können einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten.»
Susanne Schellenberger
Projektleiterin Klima am ILF Institut für Landschaft und Freiraum an der OST – Ostschweizer Fachhochschule
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Bei Neu- und Umbauprojekten sei es essenziell, blau-grüne Infrastruktur zu integrieren, so Tobias Baur, Professor für Landschaft und Freiraum an der OST. Blau-grüne Infrastrukturen sind Konzepte und Systeme, die natürliche Elemente wie Wasser (blau) und Vegetation (grün) in die Planung und Entwicklung städtischer Räume aufnehmen. Diese Infrastrukturen dienen dazu, nachhaltige und ökologisch ausgerichtete Lösungen für städtische Herausforderungen wie Überhitzung, Luftverschmutzung, Starkregen, Überschwemmungen und Biodiversitätsverlust zu schaffen.
Auch Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern haben es in der Hand, ihr Grundstück klimaresilient zu gestalten. Etwa, indem sie Flächen unversiegelt lassen respektive entsiegeln, unterschiedliche Pflanzenstrukturen anlegen und Dächer sowie Fassaden begrünen. Denn eine Bepflanzung trägt zur Verdunstung und damit zur Kühlung der Umgebung bei. Durchlässige Böden sorgen dafür, dass Regenwasser auf dem Grundstück versickern kann.
Es ist unumgänglich, dass Städte und Gemeinden mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen wissen. «Dazu sind frühzeitige Klimaanpassungskonzepte notwendig», sagt Tobias Baur. «Die Raumentwicklung muss verschiedene Themen wie Kaltluftschneissen, Kühlungsaspekte durch blau-grüne Infrastruktur und Freiräume als Erholungsräume verstärkt aufnehmen und konsequent umsetzen».
Der Klimawandel fĂĽhrt einerseits zu Hitzewellen und Trockenheit, andererseits aber auch immer häufiger zu Starkregen und damit zu Ăśberschwemmungen. Wie können sich Städte und Gemeinden gegen solche Wetterextreme besser wappnen? Einen Lösungsansatz stellt gemäss Susanne Schellenberger und Tobias Baur das Schwammstadt-Prinzip (Sponge City) dar. Dieses Konzept der Planung zielt darauf ab, dass Regenwasser lokal zurĂĽckgehalten, verdunstet, versickert und wiederverwendet wird, statt einfach nur in der Kanalisation abgefĂĽhrt zu werden. Das Schwammstadt-Prinzip vermindert so die Gefahr von Ăśberschwemmungen und entlastet die Kanalisation. Es steht zudem der Vegetation zur VerfĂĽgung. Dies gewinnt im Hinblick auf die immer häufiger werdenden Hitze- und Trockenheitsperioden an Bedeutung. Neben Sickermulden fĂĽr den RĂĽckhalt und grösseren Pflanzflächen kommt beim Schwammstadt-Prinzip auch Dach- und FassadenbegrĂĽnungen eine wesentliche Rolle zu. Diese können Niederschläge aufnehmen und zurĂĽckhalten. Zudem kĂĽhlen die Pflanzen die Umgebung durch ihre Verdunstungsleistung ab. Â
Eine Vorreiterrolle bezüglich Schwammstadt-Prinzip übernimmt die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Aber auch Schweizer Städte wie beispielsweise St.Gallen wollen sich mehr und mehr zur Schwammstadt entwickeln. Auch Luzern ist dabei, gemeinsam mit der OST, verschiedenste Schwammstadtbausteine im Strassenraum zu planen und anschliessend über eine gewisse Zeit zu testen.
26. September 2023: Klimakonferenz zum Umgang mit Hitzebelastungen in Gemeinden
Wie Gemeinden den künftigen Hitzebelastungen im Siedlungsgebiet entgegenwirken können, ist Thema der 4. Klimakonferenz. Der Fokus der Veranstaltung liegt insbesondere auf den Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit und den Chancen der Verankerung des Themas in den Planungsinstrumenten. Organisiert wird die Klimakonferenz vom Klimacluster der OST in Kooperation mit dem Amt für Wasser und Energie des Kantons St.Gallen.
Wissen und Kompetenzen fĂĽr eine nachhaltige Raum- und Landschaftsentwicklung
Wie kann GIS effizient in Planungen angewandt werden? Wie lassen sich in Siedlungen resiliente Baumpflanzungen gestalten? Wie können historische Gärten erhalten und geschützt werden? Und wie gelingt es, Mobilität und Verkehrssysteme zukunftsfähig zu gestalten? Auf diese und viele weitere Fragen bieten die Weiterbildungen der OST im Bereich Raum und Mobilität Antworten.