Autorin: Ursula Ammann
Boden ist ein rares Gut, mit dem man sorgsam umgehen muss. Die Agri-Photovoltaik ermöglicht es, auf derselben Fläche sowohl Lebensmittel als auch Strom zu produzieren. Im Hinblick auf die Umstellung hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung sind wir auf solche zusätzlichen Möglichkeiten angewiesen. Zwar kann Solarenergie zum grössten Teil auf Dächern erzeugt werden, aber es braucht auch alternative Lösungen.
«Für Agri-Photovoltaik braucht es eine gute Netzinfrastruktur. Es würde keinen Sinn machen, lange Leitungen auf die grüne Wiese zu ziehen. Weder energietechnisch noch ästhetisch noch wirtschaftlich.»
Markus Markstaler
Kursleiter CAS Elektrische Energiesysteme
Zum einen geht es nur um kleine Parzellen. Wir sprechen von einer Fläche von wenigen Fussballfeldern pro Gemeinde. Zum anderen kommen als Standorte nur Landwirtschaftsflächen in Frage, die unmittelbar an die Bauzone angrenzen – zum Beispiel solche, die am Siedlungs- bzw. Stadtrand liegen. Denn für die Agri-Photovoltaik braucht es eine gute Netzinfrastruktur. Es würde keinen Sinn machen, lange Leitungen auf die grüne Wiese zu ziehen. Weder energietechnisch noch ästhetisch noch wirtschaftlich. Agri-Photovoltaikanlagen kommen zudem vor allem bei Kulturen zum Einsatz, die bereits heute eine Schutzeinrichtung wie etwa Hagelnetze oder Folientunnels benötigen.
Agri-Photovoltaikanlagen mĂĽssen per Gesetz vom Bauern oder der Bäuerin finanziert und betrieben werden. FĂĽr Investoren wären sie ohnehin nicht interessant. FĂĽr die Bauernbetriebe lohnen sie sich hingegen schon, weil sie sowohl Lebensmittel als auch Strom ernten können. Die Anlagen mĂĽssen jedoch zahlreiche Bedingungen erfĂĽllen. Es wird nicht zu Solarparks auf der grĂĽnen Wiese kommen. Â
Agri-Photovoltaik eignet sich vor allem für den Beeren- und Obstbau oder auch für den Weinbau. Weniger Sinn macht sie bei einjährigen Pflanzen, im Futtermittelanbau oder auf Weideflächen.
Es ist so, dass die Pflanzen dadurch weniger Licht bekommen. Aber gerade den Beeren macht dies nichts aus. Sie wachsen natürlicherweise im Wald, sind also schattenbedürftig. Hier können Agri-Photovoltaikanlagen sogar zu einem Ertragsplus führen. Bei sonnenbedürftigen Kulturen wie beispielsweise Kirschen oder Zwetschgen gibt es eine Konkurrenzsituation zwischen Pflanze und Photovoltaikanlage, was auf beiden Seiten zu einer Ertragsreduktion führt. Doch selbst dann ist der Ertrag in der Summe pro Fläche höher. Gleichzeitig gilt es auch festzuhalten, dass die Solarpanels diese empfindlichen Kulturen vor Wetterextremen wie beispielsweise Hagel und Hitze schützen und insofern Ertragsausfälle verhindern können. Durch den Klimawandel ist mit einer Zunahme dieser Extreme zu rechnen, deshalb wird diese Schutzfunktion immer wichtiger.
Ja, aber ein Hagelnetz produziert keinen Strom. Entscheidend ist letztlich die Aufteilung des Lichts. Die Photovoltaikanlage benötigt eine Mindeststrahlung, damit sie sich amortisiert. Und die Pflanzen brauchen ein gewisses Mass an Sonnenstrahlung, damit die Ernte zufriedenstellend ausfällt. Die Frage ist, wie sich aus der Fläche in beiden Bereichen das Optimum herausholen lässt. Hier ist die Forschung gefordert. Deshalb engagieren wir uns an der OST für dieses interdisziplinäre Thema.
Wir haben untersucht, wie sich Wein- und Stromproduktion kombinieren lassen. Im Weinbau besteht durch den Klimawandel die Herausforderung, dass die Reben durch die oft schon warmen Temperaturen Anfang Jahr zu früh austreiben. Durch den Spätfrost können die jungen Triebe aber wieder absterben. Unser Versuch bestand darin, die Reben im Frühstadium mit einer dynamischen Photovoltaikanlage zu überdachen und somit am zu frühen Austreiben zu hindern. Im späteren Stadium diente die Anlage dazu, die jungen Triebe über Nacht vor dem Frost zu schützen. Tagsüber konnte die Anlage geöffnet werden, um Sonneneinstrahlung zu gewährleisten.
Es gibt durchaus attraktive Konzepte von Agri-Photovoltaik im Weinbau. Fest steht auch, dass die Qualität des Weines nicht darunter leidet.
Ja, hier gelten die gängigen Einmalförderungen, die der Bund für Photovoltaikanlagen vergibt. Es handelt sich um dasselbe Förderprogramm, das auch bei PV-Anlagen auf Dächern zum Tragen kommt.
Derzeit ist circa ein halbes Dutzend Anlagen in Betrieb und viele sind in Planung. In der Ostschweiz gibt es noch keine Projekte, aber insbesondere im Kanton Thurgau und im St.Galler Rheintal wären solche gut denkbar. Â
Weiterbildungen im Bereich Energiesysteme
Die technische Vielfalt nachhaltiger Energiesysteme erfordert ein breites technisches Grundverständnis. Die Weiterbildungen der OST – Ostschweizer Fachhochschule im Bereich Energiesysteme vermitteln praxisorientiertes Wissen dazu. Wer sich auf dem Gebiet der Photovoltaik bzw. auch Agri-Photovoltaik spezialisieren möchte, kann sich im MAS Energiesysteme oder im CAS Elektrische Energiesysteme zusätzliche Kompetenzen aneignen. Â